Interview mit Bochumer Professor Jörg Bogumil über politisches Ehrenamt und zu große Stadträte

BONN · Der Bochumer Professor Jörg Bogumil hat in vielen wissenschaftlichen Arbeiten Kommunalpolitik und öffentliche Verwaltung erforscht. Mit dem Politologen sprach Johanna Heinz.

 Der Bochumer Professor Jörg Bogumil.

Der Bochumer Professor Jörg Bogumil.

Foto: Dietmar Wäsche

Endlose Gremienitzungen, geringe Entschädigung, Zielscheibe des Bürgerunmuts: Warum übernimmt überhaupt jemand Verantwortung in der Kommunalpolitik?
Jörg Bogumil: Es gibt in der Tat ein Missverhältnis zwischen Zeiteinsatz und dem, was man dafür bekommt. Aber nach wie vor ist die Kommunalpolitik für viele der Einstieg, dei Vorbereitung auf höhere Posten in die Landes- und Bundespolitik. Ich glaube, das ist immer noch die wichtigste Triebfeder. Natürlich gibt es auch Menschen, die möchten nur in ihrer Stadt etwas verändern. Und es gibt bestimmte Menschen, die aufgrund ihres Berufes daran ein Interesse haben.

Zum Beispiel?
Bogumil: Zum einen gibt es Unternehmer, die in der Stadt mit Grundstücken zu tun haben, mit Investitionstätigkeit, und daher ein Interesse an Kommunalpolitik haben. Auf der anderen Seite gibt bestimmte Berufe, in denen es einfacher ist, Kommunalpolitiker zu sein. Im öffentlichen Dienst beispielsweise werde ich zum Teil freigestellt.

Es gibt immer wieder Kommunen, in denen Parteien Schwierigkeiten haben, Kandidaten zu finden.Gibt es ein generelles Nachwuchsproblem?
Bogumil: Es wird insbesondere für kleine Kommunen tatsächlich zunehmend ein Problem. Generell sollte meiner Meinung nach beispielsweise in NRW darüber nachgedacht werden, ob die Anzahl der Ratsmitglieder nicht reduziert werden kann. Vermutlich wäre dann auch eine höhere Aufwandsentschädigung möglich. Man wird Kommunalpolitik sicherlich nicht voll professionalisieren können. Das können wir nicht bezahlen. Aber es sind ja Zwischenlösungen denkbar: Etwas weniger Kommunalpolitiker und die werden dann etwas besser unterstützt.

Mit Beruf und Familie ist dieses Ehrenamt nur schwer zu verbinden...
Bogumil: Sehr schwer, ja. Ich glaube, dass es nicht wahnsinnig viele Ratsmitglieder gibt, die berufstätig sind und kleine Kinder haben. Es gibt Untersuchungen zum Zeitaufwand: In Großstädten beispielsweise sind es zwischen zehn und 20 Stunden pro Woche: Das muss man erst mal einrichten können.

Bei der Haushaltslage vieler Kommunen ist die Gestaltungsfreiheit außerdem recht eingeschränkt...
Bogumil: In den 70er, 80er und 90er Jahren konnten Kommunalpolitiker mehr gestalten. Sicherlich ist es schwieriger in Zeiten, in denen eigentlich nur gespart werden muss, Leute zu finden, die sich engagieren wollen - das ist ja unangenehm: Mangel zu verteilen.

Wie sieht es mit dem Verhältnis zum Bürger aus?
Bogumil: Insgesamt sind die Bürger gegenüber Politikern auf allen Ebenen in den letzten 30 Jahren skeptischer geworden. Nicht die Politikverdrossenheit, aber die Politikerverdrossenheit, so zeigen Umfragen, ist stark gestiegen. Zwar ist bei Kommunalpolitikern die Akzeptanz wohl noch am höchsten, aber sie leiden auch unter dem Imageverlust von Politikern generell.

Auf der anderen Seite wird versucht, über Beteiligung den Bürger mehr einzubeziehen ...
Bogumil: Das ist der Versuch, etwas gegen die Politikerverdrossenheit zu tun. Es war aber auch hochnotwendig, damit die Frustration der Bürger nicht zu stark wird. Sie leiden unter genau dem, wovon wir eben sprachen: Mangel zu verteilen, ist für die Bürger auch nicht schön.

Zur Person

Jörg Bogumil ist Professor für öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum. Er wurde 1959 in Hamburg geboren, studierte Sozialwissenschaften in Bochum, wo er seit 2005 einen Lehrstuhl innehat. Er lebt in Bochum, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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