Interview mit Brigitte Richarz "Jedes Ei ist ein Unikat"
REGION · Gespräch am Wochenende: Brigitte Richarz vom Freilichtmuseum Kommern spricht über das Färben wie vor 100 Jahren.
Osterzeit ist Eierzeit. Die bunten Eier oder die Farben kann man heute im Supermarkt kaufen. Im LVR-Freilichtmuseum Kommern wird noch so gefärbt wie vor hundert Jahren - mit Naturfarben aus Pflanzen. Bettina Thränhardt sprach mit Brigitte Richarz, Hauswirtschafterin im Museum, über Ostereier und das Färbeprojekt.
Ostern und Eier gehören in unserem Kulturkreis zusammen. Wie kam es dazu?
Brigitte Richarz: Im Kirchenjahr liegt vor Ostern die Fastenzeit, in der man früher auf tierische Produkte verzichtete. Gleichzeitig legen die Hühner im Frühjahr gut, es sammelten sich also viele Eier an. Die wurden historisch oft als Abgaben verwendet, als Zinseier oder Beichteier für Klöster und Pfarrer. Ich selbst komme aus einem Dorf in der Eifel, dort war es noch üblich, dem Pastor, Küster oder den Messdienern an Ostern Eier zu schenken. Wir Kinder wurden an Ostern zu einem ärmeren Nachbarn geschickt und brachten ihm neben Eiern ein Stück Schinken oder Wild.
Waren das schon bunte Eier?
Brigitte Richarz: Nein, die waren weiß. Bunte Eier kamen ins Spiel, wenn man ein persönliches Geschenk machen wollte. Kunstvoll verzierte Eier schenkte man seinem Paten oder Freunden.
Seit wann werden Eier denn gefärbt?
Richarz: In der Literatur findet man Angaben, dass Eier schon seit dem 12. Jahrhundert in unserem Kulturkreis gefärbt wurden. Hier im Rheinland entwickelte sich die Tradition erst später und regional unterschiedlich.
Im LVR-Freilichtmuseum Kommern kann man vor den Ostertagen ja auch Eier mit historischen Techniken färben. Welche Färbetechniken wenden Sie an?
Richarz: Wir färben mit Naturmaterialien, zum Beispiel mit der braunen Schale der Zwiebel, die man sonst wegwirft. Das gibt einen schönen Farbton, das Ei wird gelb bis dunkelrot-braun, je nach Konzentration des Zwiebelschalensuds und der Zeit, die die Eier im Zwiebelsud liegen. Wir haben schon alle möglichen Pflanzen ausprobiert. Brennnessel, Erika oder Mate-Tee ergeben einen grünen Farbton, die Walnuss färbt in einem ganz eigenen Braun. Bei ihr braucht man nur die Hülle, die in der Schale um eine Nuss herum ist. Sie färbt stark, weil sie viele Gerbstoffe enthält.
Wie gehen Sie beim Färben konkret vor?
Richarz: Ich lege ein rohes Ei in den Sud und koche es etwa zehn bis zwölf Minuten. Das Ei nimmt dann die Farbe des jeweiligen Suds an.
Können Sie mit den Pflanzen auch Muster auf das Ei bringen?
Richarz: O ja! Wir suchen schöne Blätter oder Blüten und befestigen sie vor dem Kochen mit altem Verbandsmull, Baumwollbändchen oder einem Baumwollstrumpf fest auf der Schale des rohen Eis. Wenn man es nach dem Kochen wieder auswickelt, hat man ein filigranes Blütenmuster auf der Schale. Manchmal bekommt man durch die Blüte sogar einen weiteren Farbton, zum Beispiel ein Lila-Blau aus dem Veilchen. Ein Nylonstrumpf oder Apfelsinennetz ergibt ebenfalls ein Muster, da der Kunststoff die Farbe nicht durchlässt.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, die bunten Eier weiter zu verzieren?
Richarz: Ein anderes Team im Museum bringt mit einem Wattestäbchen Zitronensäure auf das gefärbte Ei auf. Wo die Zitronensäure hinkommt, verschwindet die Farbe. Das Muster erscheint in Weiß auf dem gefärbten Ei.
Was ist das Besondere an den Naturfarben?
Richarz: Jedes Ei ist ein Unikat. Ich finde es spannend, dass man vorher nie genau weiß, wie der Farbton herauskommt. Es ist auch schön zu beobachten, wie die Kinder auf das fertige Ei reagieren. Viele sind erstaunt und begeistert, manche auch enttäuscht, weil sie sich das Ergebnis anders vorgestellt hatten. Wir reiben die Eier dann noch mit einer Speckschwarte oder Öl ein, so dass sie schön glänzen. Und am Ende sind alle Kinder sehr stolz auf ihr handgefärbtes Osterei.
Und zu Hause kann das Ei dann im Garten versteckt werden. Seit wann sucht man eigentlich die Eier, die der Osterhase versteckt hat?
Richarz: Die Fachliteratur sagt, dass es diesen Brauch seit dem 17. Jahrhundert gibt, aber mit starken regionalen Unterschieden. Bei mir zu Hause gab es das Eiersuchen nicht. Auf dem Land wussten wir Kinder ja ganz genau, wo die Eier herkamen.
Obwohl im Frühling viele Hasen herumhoppelten, hatten die nichts damit zu tun. Meiner Mutter war die Geschichte mit dem Osterhasen deshalb suspekt. Der Osterhase, der bunte Eier bringt, entstand auch eher im städtisch-bürgerlichen Milieu. Auf dem Land gab es aber zahlreiche Ostereierspiele mit den gefärbten Eiern.
Können Sie für solche Ostereierspiele einige Beispiel nennen?
Richarz: Da gibt es das Eierrollen, den Eierlauf oder das Eierschibbeln. Am weitesten verbreitet ist wohl das Eierkippen, das regional unterschiedlich auch als Tucksen, Knicken, Kappen oder Titschen bezeichnet wird. Traditionell wird es nach dem Gottesdienst gespielt. Jeder hat Ostereier vor sich und versucht, die Eier der anderen einzuschlagen, eben zu tucksen und dabei für sich zu gewinnen.
Zur Person
Brigitte Richarz (58) ist Hauswirtschafterin im Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Kommern. Dort betreut sie an zwei Tagen in der Woche einen Hof, kümmert sich um zwei Bauerngärten und verrichtet hauswirtschaftliche Frauenarbeit des 17. bis 19. Jahrhunderts. Richarz wuchs bei Prüm in der Eifel auf. Sie lebt in Bad Münstereifel, ist verheiratet und hat vier Kinder. Weitere Informationen zum Museum gibt es auch auf www.kommern.lvr.de.