Illona Schmiel: "Die Bonner Politik ist viel zu zögerlich"

Am Samstagabend geht das Beethovenfest mit einem Konzert der Academy of St Martin in the Fields unter Leitung von Sir Neville Marriner zu Ende. Intendantin Ilona Schmiel zieht Bilanz und gibt einen Ausblick auf 2011.

 Seit 2004 ist Ilona Schmiel der Kopf des Internationalen Beethovenfests in Bonn.

Seit 2004 ist Ilona Schmiel der Kopf des Internationalen Beethovenfests in Bonn.

Foto: Manu Theobald

Bonn. Am Samstagabend geht das Beethovenfest mit einem Konzert der Academy of St Martin in the Fields unter Leitung von Sir Neville Marriner zu Ende. Intendantin Ilona Schmiel zieht Bilanz und gibt einen Ausblick auf 2011. Mit ihr sprach Bernhard Hartmann.

General-Anzeiger:Sie haben vor einigen Monaten in einem Interview mit unserer Zeitung gesagt, dass Sie so lange in Bonn bleiben würden, wie es hier etwas aufzubauen gebe. Gilt das auch noch für die Zeit nach dem vorläufigen Aus für das Festspielhaus und nach der endgültigen Verabschiedung der Telekom aus dem Projekt?

Ilona Schmiel: Natürlich!

GA: Hat denn noch niemand von der Konkurrenz bei Ihnen angeklopft?

Schmiel: Natürlich!

GA: Werden Sie bitte konkret.

Schmiel: Wenn etwas konkret wäre, würden Sie und Ihre Leser es umgehend erfahren.

GA: Auf welches Konzert hätten Sie am Ende des Beethovenfestes auf gar keinen Fall verzichten wollen?

Schmiel: Auf Martin Grubinger! Einen ganzen Abend Musik von Yannis Xenakis. Das habe ich mir immer schon mal gewünscht. Vor allem "Persephassa" für sechs Schlagzeuger, die in der ganzen Beethovenhalle verteilt waren. Die Musik hat sich hier eine ganz eigene Architektur erschaffen.

GA: Die Zuhörer steigen bei neuer Musik oft aus. Wie kommt es, dass da 1 500 Menschen gebannt einen Abend mit radikal avantgardistischer Musik des 20. Jahrhunderts verfolgen?

Schmiel: Wenn wir das vor vier Jahren gemacht hätten, wären vielleicht hundert Zuhörer gekommen. Man kann das Publikum aber dahinführen. Und wenn die Zuhörer spüren, dass die Musik mit solcher Präzision und so großer Leidenschaft vorgetragen wird, bleiben sie dabei.

GA: Dennoch: Haben Sie dem Publikum mit den vier Porträtkonzerten, in denen Peter Ruzicka als Komponist und Dirigent vorgestellt wurde, nicht ein wenig zu viel neue Musik zugemutet?

Schmiel: Das muss es aushalten können. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, nur gefällige Angebote zu machen. Jetzt haben die Besucher die fantastische Mojca Erdmann mit Liedern von Ruzicka gehört. Sicherlich kommen sie ja das nächste Mal zu einem anderen Programm mit dieser Sängerin zurück.

GA:Der Vorverkauf lief in diesem Jahr ein wenig schlechter als im Jahr zuvor. Haben Sie das während des Festivals auffangen können?

Schmiel: Zum Teil. Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor, aber wir bewegen uns jetzt bei einer Auslastung von 86 Prozent, das sind ungefähr vier Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Das ist immer noch ein sehr gutes Ergebnis.

GA: Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat in einem Interview mit dem General-Anzeiger darauf hingewiesen, dass es auf längere Sicht mit dem Beethovenfest ohne ein Festspielhaus bergab gehen würde. Zugleich sieht er die Zukunft des Festspielhauses eher pessimistisch. Wie stehen Sie dazu?

Schmiel: Ich teile Steinbrücks Pessimismus nicht. Allerdings ist die Bonner Politik in dieser Sache viel zu zögerlich. Sie muss das Festspielhaus wirklich wollen und auch etwas dafür tun. Man kann bei solchen wichtigen Entscheidungen nicht durch eine Bürgerbefragung die Verantwortung aus der Hand geben.

Ich finde es zutiefst undemokratisch, wenn wir die große Chance, die Bonns Entwicklung durch ein Festspielhaus hätte, durch eine Befragung den kommenden Generationen verweigern wollten.

Die jungen brasilianischen Musiker aus Heliopolis, die in dieser Woche hier waren, verstehen übrigens überhaupt nicht, dass Beethovens Geburtsstadt sich keinen neuen Konzertsaal leistet. Sie kommen aus der größten Favela Sao Paulos und sehen hier unseren Reichtum. Aber in ihrer Heimat ist das Erdreich für einen Saal bereits ausgehoben.

GA: Die Brasilianer sind ebenso wie die Venezolaner mit großer Leidenschaft bei der Sache. Warum ist das in dieser Intensität bei unseren Jugendsinfonieorchestern nicht der Fall?

Schmiel: Sie üben sechs Mal in der Woche. So einfach ist das. Und jeder weiß, dass nur eine gute Leistung ihn weiterbringt. Dennoch ist in den Orchestern das Zusammengehörigkeitsgefühl enorm ausgeprägt. Für die Brasilianer war es eine ganz wichtige Erfahrung, nach Europa reisen zu können.

Das bringt ihnen auch in der Heimat einen enormen Respekt ein. Bei den Freunden und bei den Eltern, die stolz auf ihre Kinder sind. Die Musik fordert die Jugendlichen und bietet ihnen ganz andere, neue Chancen und Perspektiven. Davon können wir viel lernen.

Die Beziehung zu den Brasilianern wird wie die zu den Venezolanern von beiden Seiten aufrechterhalten. Für 2013 planen wir in Brasilien ein Satelliten-Beethovenfest.

GA: Nach einem Monat Freude am Beethovenfest folgen jetzt elf Monate Vorfreude aufs nächste. Können Sie uns schon ein paar Details verraten?

Schmiel: Im Jahr 2011 feiern wir Franz Liszts 200. Geburtstag. Das wird natürlich ein ganz besonderer Schwerpunkt sein. Er hat das erste Beethovenfest 1845 initiiert und geleitet und eigens dafür ein Festspielhaus gebaut. Liszt wird meines Erachtens als Komponist immer noch viel zu wenig geschätzt.

GA: Welche Orchester kommen nach Bonn?

Schmiel: Es wird eine kleine "Residence" mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra geben, das Leipziger Gewandhausorchester ist 2011 mit Riccardo Chailly zu Gast. Das BBC Symphony Orchestra spielt im nächsten Jahr als Uraufführung das neue Violinkonzert von Rebecca Saunders. Den Solopart spielt Carolin Widmann, die in diesem Jahr mit großem Erfolg die Schumann-Sonaten interpretiert hat.

GA: Gibt es im nächsten Jahr wieder einen Sinfonien-Zyklus?

Schmiel: Nein, den haben wir für 2012 eingeplant.

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