Nach den häufigen Unwettern "Es wird häufiger hohe Niederschläge geben"

Bonn · Guido Halbig kennt sich gut mit Phänomenen wie den starken Regenfällen am Dienstagabend aus. Moritz Rosenkranz sprach mit dem Diplom-Meteorologen über das Wetter. Ganz ohne Smalltalk.

Wo kommt dieses ganze Wasser her, das in den vergangenen Tagen vom Himmel gefallen ist?
Guido Halbig: Wir haben im Moment eine Wetterlage, in der sich feuchte, warme Luft über Deutschland hält. Die führt immer wieder zu Gewittern. Das ist an sich nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist, dass diese Lage über mehrere Tage anhält und mit sehr starken Unwetterereignissen verknüpft ist, so wie in Münster, wo in wenigen Stunden 300 Liter pro Quadratmeter runterkamen. Das war rekordverdächtig.

Müssen wir uns darauf einstellen, dass so etwas in Zukunft häufiger stattfindet?
Halbig: Wir haben Berechnungen, wie sich das Klima in den nächsten 100 Jahren in Deutschland entwickeln wird. Diese Modelle zeigen, dass man bis Mitte des Jahrhunderts mit der Zunahme von solchen Starkniederschlagsereignissen rechnen muss. Auch danach deutet einiges auf eine weitere Zunahme bis Ende des Jahrhunderts hin.

Was bedeutet das konkret?
Halbig: Diese Entwicklung verläuft nicht linear. Das Wetter ist jedes Jahr anders. Es wird aber häufiger wärmere Sommer geben und immer häufiger auch Sommer wie dieses Jahr, wo es zu hohen Niederschlägen kommt.

Sind andere Extreme denkbar?
Halbig: Ja. Ein Beispiel sind Hitzewellen, die besonders Städte betreffen. 2003 hat es in ganz Europa mehrere 10.000 Hitzetote gegeben. Das ist eine große Bedrohung, vor allem für ältere und kranke Menschen. Was Stürme angeht, zeigen die Modelle noch keine eindeutigen Ergebnisse.

Wie belastbar sind solche Modelle?
Halbig: Das ist, als würden Sie die Wirtschaftsweisen heute fragen, wie in drei Jahren das Bruttoinlandsprodukt ist. Es beruht zwar auf wissenschaftlichen Gleichungen, da man aber sehr lange in die Zukunft rechnet, ist es mit großen Unsicherheiten verbunden. Man rechnet aber mit einer Vielzahl von Modellen und schaut dann, in welcher Bandbreite sich die verschiedenen Ergebnisse bewegen. Relativ sicher können wir sagen, dass die Durchschnittstemperatur weiter ansteigen wird, die Sommer sehr trocken werden, aber punktuell diese hohen Niederschläge zu erwarten sind.

Wie vorhersehbar sind solche Extremwetterlagen?
Halbig: Großwetterlagen wie etwa ein Elbhochwasser ist ein bis zwei Wochen im Voraus zu erkennen. Diese extremen Gewitter haben nur etwa eine Vorlaufzeit von einer Stunde, weil die Lebensdauer von Gewitterwolken nicht viel länger ist. Man weiß nie genau, wo die entstehen. Ich empfehle, unsere ständig aktualisierten Warnkarten im Internet zu nutzen.

Was können Städte und Gemeinden tun, um sich vor Hochwasser zu schützen?
Halbig: Wichtig ist es, Versickerungsflächen zu schaffen. Das größte Problem ist, dass die Kanalisation diese großen Wassermengen in kurzer Zeit nicht aufnehmen kann. Ein Ausbau wäre zu teuer. Es braucht eine Reihe von kleineren Maßnahmen: Begrünte Flachdächer als Zwischenspeicher etwa. Ich appelliere auch an die Leute, ihre Vorgärten nicht komplett zuzupflastern, sondern so zu gestalten, dass für Auto und für Grün Platz ist. Es braucht Rasenflächen.

In Städten wie Bonn ist ein Großteil der Fläche aber versiegelt. Was kann man hier tun?
Halbig: Da gibt es neue Modelle, die etwa Sportplätze oder Kinderspielplätze als Zwischenspeicher vorsehen und diese überfluten. Oder auch ganze Straßenzüge, bei denen man die Bordsteine höher legen könnte. Entsiegeln ist ganz wichtig, zum Beispiel bei riesengroßen Parkplätzen von Baumärkten. Da könnte man Rasensteine pflastern, die das Wasser versickern lassen. In kleineren Städten gibt es oft außen herum Flächen, die für den Hochwasserschutz ausgewiesen werden müssen.

Kann man in Deutschland von anderen Ländern noch etwas lernen?
Halbig: Wir lernen derzeit viel von den Holländern, die ja von Anbeginn mit der Gefahr leben, total überflutet zu werden, wenn die Deiche brechen. Auch aus Ländern in tropischen Bereichen gibt es sicherlich Ideen, die wir nutzen könnten.

Die Wetter-Vorhersage auf ga.de sagt jetzt bis zum Wochenende Sonnenschein voraus in Bonn. Ist das glaubwürdig?
Halbig: Im Moment stabilisiert sich die Wetterlage, die Niederschlagswahrscheinlichkeit nimmt ab. Aber es scheint so, dass es Anfang nächster Woche wieder losgeht. Die Labilität steigt, sprich die Möglichkeit für Gewitter nimmt dann wieder zu.

Zur Person

Guido Halbig ist Diplom-Meteorologe und leitet die Niederlassung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Essen und das regionale Klimabüro des DWD. Sein Hauptaufgabengebiet sind Anpassungen an den Klimawandel. Der 46-Jährige berät die Landesregierung sowie Kommunen und Städte. Vergangenes Jahr hat er gemeinsam mit der Stadt Köln ein Projekt abgeschlossen mit dem Titel "Klimawandelgerechte Metropole Köln", in dem Vorschläge zu den Themen Hitze und Starkniederschläge erarbeitet wurden.

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