Interview mit Virologe Christian Drosten "Die Lage ist besorgniserregend"

BONN · Die Situation in Westafrika gibt auch Experten wie Christian Drosten Anlass zur Sorge. Moritz Rosenkranz sprach mit ihm über Gründe für, Gefahren von und Maßnahmen gegen die Ebola-Epidemie.

 Der Bonner Virologe Christian Drosten.

Der Bonner Virologe Christian Drosten.

Foto: GA

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Westafrika?
Chistian Drosten: Die Lage ist besorgniserregend. Es ist zwar nichts besonderes, dass Ebola-Epidemien verschleppt werden, aber dieses geografische Ausmaß ist größer als normalerweise.

Woran liegt das?
Drosten: Westafrika hat eine viel bessere Verkehrsinfrastruktur als Staaten wie etwa Kongo, wo sich Ebola eher lokal in sehr ländlichen Gebieten ausgebreitet hat. Die Menschen in Westafrika versuchen die beste medizinische Behandlung zu bekommen, wenn sie die Krankheit bemerkt haben. Der Weg führt dann meist in die nächste größere Stadt.

Welche Rolle spielt der Aberglaube der Menschen?
Drosten: Das ist ein Phänomen, dass es in ganz Afrika gibt und sicherlich in Westafrika nicht den Unterschied ausmacht. Jemand, der weiß, er war in Kontakt mit einem Ebola-Kranken, hat Angst davor und nutzt die Zeit, in der er noch reisen kann, um sich behandeln zu lassen. So kommt es auch, dass Patienten weite Reisen in Kauf nehmen und die Krankheit in Nachbarländer verschleppen.

Wie sieht es mit der medizinischen Versorgung in den örtlichen Krankenhäusern aus?
Drosten: Wie bei uns verabreicht man auch in Afrikanischen Krankenhäusern Infusionen. Dabei können Ärzte und Pflegepersonal mit dem Blut der Infizierten in Kontakt kommen. Das ist ein großes Risiko. Zudem übernehmen die Angehörigen oft die Pflege, weil es Tradition ist. Aber diese Menschen infizieren sich dann oft. Diese Tradition muss man durchbrechen, was aber nur schwer vermittelbar ist.

Was trägt grundsätzlich zur schnellen Verbreitung von Ebola bei?
Drosten: Die Betroffenen haben relativ früh hohe Konzentrationen des Virus im Blut, schon ein paar Tage bevor sie bettlägerig werden. und noch reisefähig sind. So können Erkrankte die Infektion verbreiten.

Wie groß ist das Risiko, dass sich Ebola noch weiter ausbreitet?
Drosten: Es gibt keine Pandemie-Gefahr wie bei der Grippe, weil Ebola nicht über die Luft übertragen werden kann. Aber die Gesundheitsbehörden in den betroffenen Ländern müssen da jetzt sehr stark drauf schauen. Es ist schon erstaunlich, dass es sich so weit verbreiten kann. Denn man kann die Ausbreitung durchaus verhindern, durch eine Art der Krankenpflege, bei der Ärzte und Pflegepersonal keine Körperflüssigkeiten abbekommen. Denn die Übertragung ist nicht sehr effizient, weil sie über Blut und Körperflüssigkeiten abläuft.

Einige Staaten haben jetzt die Grenzen dichtgemacht. Hilft das?
Drosten: Das ist Aktionismus. Was hilft ist eine Erhöhung des Bewusstseins für die Erkrankung in den Krankenhäusern, Behörden und den Köpfen der Menschen.

Hätte ein Patient in Deutschland bessere Überlebenschancen?
Drosten: Auf jeden Fall. Wenn jemand auf einer westlichen Intensivstation mit einer noch nicht sehr ausgeprägten Ebola-Infektion auftaucht, kann man denjenigen intensivmedizinisch gut behandeln. Eine Gefahr für Personal oder Bevölkerung bestünde nicht.

Zur Person

Christian Drosten ist seit 2007 Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Bonn. Zuvor war er sieben Jahre am Tropeninstitut in Hamburg tätig und hat unter anderem Ebola-Diagnostik betrieben. Drosten hat dort auch ein diagnostisches Labor aufgebaut. Sein Forschungsgebiet in Bonn sind "Emerging Viruses" - neuartige virale Seuchenerreger. Der gebürtige Emsländer ist 42 Jahre alt und hat in Frankfurt studiert.

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