Interview mit Rüstungsexperte Frank Sauer Was für Verbote von Killer-Robotern spricht

Kritiker halten Verbote für vollautonome Waffen für dringend notwendig. Doch die Gespräche darüber laufen schleppend, während einige Staaten die Entwicklung solcher Kriegswaffen vorantreiben.

Seit vier Jahren diskutieren Diplomaten, Rüstungsexperten und Wissenschaftler in Genf über ein Verbot autonomer Waffen. Dafür spricht sich auch der Rüstungsexperte und Politikwissenschaftler Frank Sauer aus.

Wie verändern autonome Waffen die Kriege der Zukunft?

Frank Sauer: Solche Waffensysteme können die Entscheidungsprozesse auf dem Schlachtfeld ungeheuerlich beschleunigen. Schon heute vergehen etwa beim Einsatz von Kampfdrohnen im Extremfall nur Sekunden, bis Menschen die Entscheidung für einen Abschuss treffen und dieser Befehl per Funk übermittelt wird. Doch die menschliche Entscheidungsgeschwindigkeit und die Signallaufzeiten sind limitierende Faktoren. Vollautonome Waffen reduzieren diese Verzögerung und streichen den Menschen aus der Gleichung. In einem solchen Szenario erreichen die Abläufe auf dem Schlachtfeld eine Geschwindigkeit, die sich der menschlichen Kontrolle entzieht.

Welche Gefahren sehen Sie darin?

Frank Sauer: Wenn Algorithmen maßgeblich über Waffeneinsatz entscheiden, können völlig unvorhersehbare Dinge passieren. Im Kalten Krieg etwa gab es eine ganze Reihe an haarsträubenden Fehlalarmen in automatischen Frühwarnsystemen für Atomangriffe, die die Welt teils an den Rand eines Atomkrieges geführt haben und nur durch menschliche Urteilskraft entlarvt wurden. An den Finanzmärkten wissen wir, dass Computerprogramme sogenannte Flash-Crashes auslösen können, weil sie viele Transaktionen in Bruchteilen von Sekunden tätigen und untereinander auf unvorhergesehene Art wechselwirken. Auf einem Schlachtfeld könnten Algorithmen Eskalationen erzeugen, die auf keine menschliche Entscheidung mehr zurückzuführen wären. Klar, auch Menschen machen Fehler, aber eben nicht tausendfach identisch und in Sekundenbruchteilen.

Die Vereinten Nationen diskutieren ein Verbot solcher Waffen. Welche Argumente sprechen dafür?

Frank Sauer: Sicherheitspolitisch sehe ich neben den genannten Gefahren das Risiko eines erneuten Rüstungswettlaufs. Doch auch völkerrechtlich gibt es gute Gründe, sich intensiv um Rüstungskontrolle zu bemühen. So ist nicht sicher, ob solche Waffen ausreichend zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden können. Auch andere Kriterien des Völkerrechts sind fraglich, wie die Angemessenheit der Mittel oder ein Minimalansatz bei der eingesetzten Gewalt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes geht noch weiter und sagt: Weil das Völkerrecht nur für Menschen gilt, dürfen Entscheidungen über Waffengebrauch prinzipiell nicht an Algorithmen delegiert werden. Zuletzt könnten ethisch gesehen solche Waffen die Menschenwürde verletzen, weil sie ihre Opfer nicht als Mensch erkennen, sondern diese zum Zeitpunkt ihres Sterbens auf einen anonymen Datenpunkt reduzieren.

Wie realistisch ist ein Verbot?

Frank Sauer: 2019 wird für den Prozess in Genf im Rahmen der UN-Waffenkonvention entscheidend sein. Das Ziel müsste ein völkerrechtlich bindendes Dokument sein. Danach sieht es derzeit leider überhaupt nicht aus. Aus Sicht derer, die sich Rüstungskontrolle wünschen, wird dort viel zu wenig und unverbindlich über Verbote gesprochen. Die Gespräche könnten stattdessen auch in die UN-Generalversammlung nach New York abwandern, wo nicht das Konsensprinzip gilt und eine Mehrheit über ein Verbot abstimmen könnte. Alternativ könnte das Verfahren den UN-Rahmen verlassen und von einigen Staaten freiwillig beschlossen werden. Beides gab es in der Vergangenheit bereits, etwa bei Antipersonenminen, Streumunition oder dem Verbotsvertrag für Atomwaffen. Beides hat aber auch den Nachteil, dass wir die technologisch führenden Staaten, die ein Verbot kritisch sehen, nicht mit ins Boot holen und die Vereinbarungen weniger stark bindend sind.

Wie argumentieren die Gegner eines Verbots?

Frank Sauer: Auch viele Befürworter vollautonomer Waffen haben durchaus ein Problembewusstsein. So wollen die USA diese Grenze eigentlich nicht überschreiten, fürchten aber, im Dilemma der Sicherheitslogik am Ende dazu genötigt zu werden. China hat immer wieder signalisiert, dass es eine Regulierung für die Nutzung - wohlgemerkt nicht die Entwicklung - solcher Waffen geben sollte. Doch für diese Länder zählen eben auch die militärischen Vorteile. Zudem argumentieren etwa die USA, dass autonome Waffen präziser seien und dadurch weniger Unbeteiligte zu Schaden kommen. Ich glaube aber, dass sich mehr Präzision auch dann herstellen lässt, wenn menschliche Verfügungsgewalt über Waffen bestehen bleibt. Und ob die erhofften kurzfristigen militärischen Vorteile die langfristigen sicherheitspolitischen, rechtlichen und ethischen Risiken aufwiegen, bezweifle ich ebenfalls.

Wie schwierig wären Kontrollen?

Frank Sauer: Rüstungskontrollen sind immer schwierig, aber nicht unmöglich. Wichtig wäre es, Autonomie in Waffen nachzuweisen, ohne militärische Geheimnisse preiszugeben. Die Forschung dazu läuft gerade an. Doch zunächst braucht es den politischen Willen für solche Kontrollen.

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