Gefahr aus dem Internet Kinder und Jugendliche besser vor Cybergrooming schützen

Berlin · Bilder von missbrauchten Kindern, Kontaktaufnahmen mit dem Ziel sexueller Gewalt, Anbahnung von Kinderprostitution: In der digitalen Welt sind Minderjährige nur unzureichend geschützt. Die Dimension des Problems wird von vielen unterschätzt.

 Ein junges Mädchen sitzt an einem Laptop. Kinder sollen besser vor sogenanntem "Cybergrooming" geschützt werden.

Ein junges Mädchen sitzt an einem Laptop. Kinder sollen besser vor sogenanntem "Cybergrooming" geschützt werden.

Foto: Nicolas Armer

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche über das Internet soll wirksamer bekämpft werden - auch mit den Mitteln des Strafrechts. Das fordert der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig.

Es sei "dringend erforderlich", schon den Versuch des sogenannten Cybergrooming - also das Ansprechen Minderjähriger im Netz mit dem Ziel sexueller Kontakte - unter Strafe zu stellen, sagte Rörig.

Die Dimension des Problems wird nach Ansicht von Experten in der Öffentlichkeit erheblich unterschätzt. Die Psychologin Julia von Weiler der Organisation "Innocence in Danger" sprach von mehr als 700 000 Erwachsenen in Deutschland, die sexuelle Online-Kontakte zu Kindern hätten.

"In der aktuellen Debatte um die digitale Sicherheitsarchitektur müssen auch die sexuellen Cyberattacken gegen Kinder und Jugendliche in den Fokus genommen werden", forderte Rörig daher in Berlin. Notwendig sei eine Agenda für digitalen Kinder- und Jugendschutz, mehr Forschung, Prävention und Hilfen bei sexueller Gewalt mittels digitaler Medien.

Rörig stellte eine Studie mit dem Titel "Sexualisierte Grenzverletzungen und Gewalt mittels digitaler Medien" vor. Dort listen Experten des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verschiedene Formen der Grenzverletzung auf - von der unfreiwilligen Konfrontation mit sexuellem Bildmaterial über sexuelle Annäherung bis zur Anbahnung von Kindersextourismus und Kinderprostitution.

Online-Dienste sollten verpflichtet werden, geschützte Nutzungsräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen, Beratungs- und Hilfsangebote auf ihren Seiten gut sichtbar einzustellen sowie niedrigschwellige Meldemöglichkeiten zu bieten, forderte Rörig. Anbieter sollten sich auch selbst verpflichten, eingehende Hinweise an die Strafverfolgung oder Beschwerdestellen weiterzuleiten.

Der Kriminologe und Cybergrooming-Experte Thomas-Gabriel Rüdiger sieht noch weiteren Diskussionsbedarf. Er betont, dass Kinder und Jugendliche nicht nur Opfer seien, sondern immer häufiger selbst zu Tätern würden. Inzwischen sei jeder dritte Tatverdächtige in diesem Bereich selbst Kind oder Jugendlicher - 10 Prozent Kinder, 25 Prozent Jugendliche. Der Trend zu jüngeren Tätern verstärke sich. "Vor fünf Jahren war der durchschnittliche Täter im Internet noch über 30, heute ist er unter 30", sagte der Experte von der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg in Oranienburg.

Mehr Aufklärung müsse her, auch darüber, dass Täter sich nicht nur in Chat-Programmen tummelten, sondern inzwischen auch in an sich kindgerechten und auf den ersten Blick unverdächtigen Online-Spielen. Im Dezember 2016 etwa wurde ein Koch in Düsseldorf wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Jungen aus der Schweiz zu fünf Jahren Haft verurteilt - Täter und Opfer hatten sich laut Anklage über das Onlinespiel "Minecraft" kennengelernt.

Ebenfalls im vergangenen Monat wurde der Fall eines 32-Jährigen aus Niedersachsen bekannt, der in dem für alle Altersstufen freigegebenen Onlinespiel "Moviestarplanet" 122 Kinder zwischen 7 und 13 Jahren dazu gebracht haben soll, ihm Nacktbilder und -videos zu schicken.

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