Politische Debatte um Künstliche Intelligenz Deutsche Politik fürchtet Rückstand beim Thema KI

Berlin · Die Bundesregierung will das Land als KI-Standort stärken und im Wettbewerb aufholen. Die Politik fürchtet sich davor, beim Thema Digitalisierung erneut abgehängt zu werden.

Wie geht Politik mit den Veränderungen um, die Künstliche Intelligenz in Zukunft mit sich bringt? Wie stark will sie gestalten, regulieren, Forschern und Unternehmern freie Hand lassen? Der politische Betrieb in Berlin hat sich inzwischen des Thema angenommen. Dazu hat der Bundestag bereits Ende Juni eine parlamentarische Enquete-Kommission ins Leben gerufen, die sich mit KI auseinandersetzen soll. Ihr gehören künftig 19 Abgeordnete des Bundestags sowie 19 Experten an. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Regierungsstrategie zu Künstlicher Intelligenz angekündigt. Damit reagiert sie auch auf die Konkurrenz aus den USA und China. Ziel sei es unter anderem, gute Forscher in Deutschland zu halten. Das Land liege beim Zusammenspiel von Daten und Algorithmen und deren Auswertung im Rückstand. Das könne man aber aufholen.

„Deutschland muss auch ab und zu radikale Wege wagen.“ Zugleich begegnete die Kanzlerin Ängsten vor der neuen Technologie: „Die Maschinen haben weiter dem Menschen zu dienen. “ Industrie und Wirtschaft bewerten den Vorstoß maßgeblich positiv.

Beim Vorstoß der Politik sieht der Politikwissenschaftler Christoph Bieber auch die Angst vor dem Rückstand. „Mein Eindruck ist, dass die Politik Sorge hat, dass sie hier etwas verpasst“, bewertet Bieber, der sich derzeit am Bochumer Center for Advanced Internet Studies mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung auseinandersetzt. „Im Moment sind wir in einer Frühphase, in der die Politik sehr achtsam ist und nichts verpassen will, ohne genau wissen zu können, was die gesellschaftlichen Folgen sind.“

Deutsche Politik sehe auf die Umwälzungen der vergangenen Jahre durch das Internet und die Digitalisierung und komme zu dem Ergebnis, dass die eigene Reaktion darauf nicht gut gewesen sei. Dem wolle sie nun vorbeugen.

Deshalb mahnt der Politikexperte eine Schieflage bei der Debatte um KI an. Diese werde maßgeblich aus der Perspektive von Naturwissenschaftlern geführt. Dabei gelte es, gesellschaftliche Fragen nicht zu ignorieren, wie etwa bei sogenanntem Predictive Policing, bei dem Polizeibehörden Straftaten und -täter von Computerprogrammen vorhersagen, oder bei Social Scoring, also der Klassifizierung von Menschen etwa nach ihrer Kreditwürdigkeit.

Bieber mahnt deshalb an, die Diskussion nicht allein aus technologiepolitischer Perspektive zu führen. Als positive Beispiele für politische Gestaltung in der Digitalisierung führt er die aktuelle Diskussion um kartellrechtliche Einschränkungen gegenüber Internetunternehmen und die Regulierung von Hassreden im Internet durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz an. „Hier kommt die Politik ins Spiel und sie kann sich auch bei Fragen rund um KI-Systeme positionieren.“

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