Karriere im Internet Das harte Geschäft der Youtuber vor der Netzkamera

Berlin · Youtuber punkten bei ihrer Zielgruppe vor allem mit Glaubwürdigkeit. Aber Geld verdienen wollen sie auch. Davon leben können nur wenige.

Schminktipps und Videospiele, selbstgemachte Musik, Alltagsdramen und Comedy: Mit solchen Videos sind Youtuber zu dem geworden, was einst Boybands oder Schauspieler waren. Die erfolgreichsten neuen Teeniestars haben Millionen von Abonnenten, jedes ihrer Videos wird von Zehntausenden von Menschen gesehen – inklusive der Werbespots davor. So ist aus dem Hobby ein Geschäft geworden.

Denn die Einnahmen aus den Werbespots teilt Youtube mit den Machern der Videos. Wie viel Geld die damit genau verdienen, lässt sich nur schwer sagen. Die genauen Werbeeinnahmen sind meistens ein Geheimnis – und je nach Youtuber und Zielgruppe sehr unterschiedlich. Ein paar Anhaltspunkte gibt es aber, zum Beispiel von der Onlinemarketing-Agentur Sumago: Nach deren Berechnungen bekommt ein Youtuber, dessen Videos täglich 100 000 mal angesehen werden, im Monat etwa 1500 bis 5000 Euro. 100 000 Aufrufe sind allerdings ein Wert, den nur die erfolgreichsten Youtuber erreichen. Im Mittelfeld sind die Zahlen deutlich kleiner – und damit auch die Werbeeinnahmen.

Bis zu sieben Millionen Dollar im Jahr

Reich werden so höchstens Superstars wie Julien Bam mit seinen Musikvideos oder Bianca „Bibi“ Heinicke, die auf Youtube unter anderem Schminktipps gibt. Deren tägliche Abrufzahlen liegen aber noch deutlich höher. Die weltweit erfolgreichsten Youtuber, allen voran Videospieler Felix Kjellberg alias Pewdiepie, verdienen bis zu sieben Millionen US-Dollar pro Jahr nur mit Werbespots. Das geht aus Zahlen des US-Marktforschers Statisticbrain hervor. Insgesamt generiert Youtube für Google demnach vier Milliarden US-Dollar Jahresumsatz – Tendenz steigend. Diese Youtuber gibt es in Deutschland

Für den Durchschnitts-Youtuber sind Werbeeinnahmen jedoch eher das, was Oguz Yilmaz „Grundrauschen“ nennt. „Das reicht eigentlich nie, um davon zu leben“, sagt er. Yilmaz war als Teil des Comedy-Trios Y-Titty einst selbst erfolgreicher Youtuber, heute berät er mit seiner Agentur „whylder“ Unternehmen über Kommunikation in sozialen Medien. Er schätzt, dass es in Deutschland nicht mehr als 100 Youtuber gibt, die von ihren Videos tatsächlich leben können.

Das geht aber in der Regel nur, weil sie sich nicht nur auf Werbeeinnahmen verlassen. Die oft größte Geldquelle sind Sponsoren. Influencer Marketing heißt das Fachwort dafür: „Die Grundidee ist, die Glaubwürdigkeit und Nahbarkeit zum Beispiel von einem Youtuber für das eigene Geschäft zu nutzen“, erklärt Yilmaz. Das Erfolgsgeheimnis der Youtuber ist genau diese Glaubwürdigkeit: Auftreten und Lebenswelt sind den Alltagserfahrungen junger Zuschauer deutlich näher als bei anderen Stars.

Ungefilterter Unfug im Netz

Und für die meisten Youtuber gehört es zum guten Ton, in Videos und den dazugehörigen Kommentaren direkt mit dem Publikum zu sprechen. „Es ist bei vielen Youtubern schon so, dass sie nicht als Star funktionieren, zu dem man aufschaut, sondern dass sie sich auf eine Stufe mit den Jugendlichen stellen“, so Kristin Langer vom Projekt „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“. Aber wer ungefiltert daherredet, redet bisweilen auch Unfug – oder sogar richtigen Dreck. Das gilt selbst für Felix Kjellberg alias Pewdiepie: In einem Video ließ er zwei Männer die Botschaft „Death to all Jews“ („Tod den Juden“) in die Kamera halten – angeblich als Satire. Doch als das Wall Street Journal im Februar darauf aufmerksam wurde, beendeten Google und die Disney-Tochter Maker Studios eilig ihre Zusammenarbeit mit Kjellberg.

Im März zogen Walmart und Coca-Cola ihre Werbegelder von Youtube ab, weil ihre Spots zusammen mit politisch fragwürdigen Videos zu sehen waren. Als Konsequenz erlaubt Youtube Unternehmen neuerdings, bestimmte Inhalte wie Gewalt oder Schimpfwörter auszuschließen. Viele Videospiel-Youtuber klagen nun zum Beispiel darüber, dass sich mit dem neuen Weltkriegs-Shooter „Call of Duty: WWII“ kaum Geld verdienen lässt.

Auch von Seiten des Publikums droht Youtubern mitunter Ärger. Denn wer zu viel wirbt, gefährdet oft genau die Glaubwürdigkeit, die ihn eigentlich erfolgreich macht. Für die Jugendlichen sei es zwar oft schwer, die Mechanismen hinter Werbung und Sponsoring zu verstehen, sagt Jugendschützerin Kristin Langer. Einmal durchschaut, fällt die Reaktion auf Schleichwerbung aber dafür oft sehr heftig aus: „Auch in jungen Jahren wollen sich Jugendliche nicht hinters Licht führen lassen.“

Neue Formate sind schwer zu finden

„Die Falle, in die manche Influencer tappen, ist, dass sie zu viel zusagen“, sagt auch Oguz Yilmaz. „Das gefährdet dann eher die Glaubwürdigkeit.“ Youtubern wie Unternehmen rät er daher: Nicht wahllos alles mitmachen, sondern lieber wenige, aber dafür langfristige Partnerschaften schmieden.

Auch so ist aber noch unklar, wie nachhaltig das Geschäftsmodell der Youtuber ist. „Am Anfang ist die Geschichte vom Unbekannten, der zum Youtube-Star aufsteigt, natürlich interessant“, sagt Yilmaz. Die ist aber irgendwann zu Ende. Und neue Geschichten oder Formate seien nicht so leicht zu finden.

Die meisten erfolgreichen Youtuber haben inzwischen Agenturen oder Mitarbeiter, die sich um das Management kümmern. Oder sie schließen sich im Tausch gegen einen Teil ihrer Einnahmen großen Netzwerken an, die das Drumherum übernehmen. So wird eine Amateurszene immer professioneller. Fraglich ist nur, ob sie damit auch populär bleibt.

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