Islamischer Staat "Wir werden Euch überall auflauern"

KABUL · Das Attentat unterschied sich kaum von vielen anderen Anschlägen, die sich in Pakistans 20 Millionen Einwohner zählender Hafenstadt Karachi nahezu täglich ereignen. Aber nachdem sie die seit 1998 in Pakistan lebende US-Ärztin Debra Lobo mit Schüssen im Gesicht und an der Hand schwer verletzt hatten, ließen die Täter Flugblätter zurück, die eine Schockwelle durch das Land jagten.

 Die Spannung in Pakistan wächst: Ein Polizist bewacht eine Kirche in Karachi.

Die Spannung in Pakistan wächst: Ein Polizist bewacht eine Kirche in Karachi.

Foto: EPA

"Wir sind die Löwen des Dualah al Islamiyyah, die Falken des Kalifen. Wir liegen auf der Lauer und werden euch Amerikaner überall in der Welt auflauern", lautete der Text.

Dualah al Islamiyyah ist der arabische Namen für "Islamischer Staat" (IS). "Zum ersten Mal haben in Karachi Extremisten sich zu IS und nicht zu Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) oder Al Kaida bekannt", erklärte Polizeivertreter Pir Mohammed Shah. Sollte es sich bei den Attentätern tatsächlich um IS-Kämpfer handeln, erlebte das vom Extremismus gebeutelte Pakistan damit eine üble Premiere. "Erstmals seit den 80er Jahren gibt es damit eine islamistische Untergrundbewegung, die weder direkt noch indirekt von Teilen der pakistanischen Sicherheitskräfte geführt wird", erklärte ein Terrorexperte in der Region.

Laut der pakistanischen Tageszeitung Express Tribune sind ähnliche Flugblätter während der vergangenen Wochen bereits häufiger nahe der Grenze zum Nachbarland Afghanistan aufgetaucht. "Wir wissen, dass Mitte des vergangenen Jahres eine Delegation von IS in der Region des Hafens von Gwadar mit Jundullah-Vertretern, die dort und in Karachi aktiv sind, zusammengetroffen sind", sagte Mansur Khan Mahsud vom Institut Fata Research Center in Islamabad gegenüber dieser Zeitung.

Aber Terrorfachleute gingen bislang davon aus, dass weder in Pakistan noch im benachbarten Afghanistan ausländische Vertreter von Daish, wie IS in der Region genannt wird, ansässig geworden sind. "Nach der Anti-Taliban-Offensive der pakistanischen Armee in der Grenzregion sind viele Ausländer überwiegend zentralasiatischer Herkunft in Afghanistan aufgetaucht", beschreibt ein Anti-Terror-Experte in Kabul die Entwicklung der vergangenen Monate, "sie haben mit US-Dollars um sich geworfen, hatten ihre Familien dabei und behaupteten, sie würden nicht zu Taliban sondern IS gehören."

Offenbar handelte es sich überwiegend um Mitglieder der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (IMU), die in der Vergangenheit auch deutsche und europäische Extremisten angelockt hatte. Die IMU verkündete vor einigen Wochen, sie habe sich IS angeschlossen.

"Die meisten dieser Leute wandern langsam vom Süden Afghanistans Richtung Norden", heißt es in Kabul. Tatsächlich haben die Attacken in der Region um die Stadt Mazar-i-Sharif, an dessen Flughafen Bundeswehrsoldaten stationiert sind, und um den Ex-Bundeswehr-Standort Kunduz in zugenommen. Lokale Medien sprechen bereits von einer Verlagerung des Krieges nach Norden.

In der entlegenen Provinz Badakhshan überrannten in der vergangenen Woche 250 "schwarz gekleidete Kämpfer" Armeepositionen. Generalstabschef Sher Mohammed Karimi erklärte im Parlament, es habe sich teilweise um IS-Kämpfer gehandelt. "Mittlerweile sind alle nervös", heisst es in Geheimdienstkreisen in Kabul, "Zentralasiaten, Pakistaner, Afghanen und auch China." Denn Badakhshan, dass während der vergangenen 14 Jahre weitgehend ruhig war, grenzt unmittelbar an das "Reich der Mitte".

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