Ungarn zieht umstrittene Internet-Steuer vorerst zurück

Budapest · Das hat es in Ungarn noch nicht gegeben: Der mächtige Regierungschef knickt nach Massenprotesten ein und legt die ungeliebte Internet- Steuer auf Eis. Tausende feiern im Zentrum von Budapest den Erfolg ihrer Bewegung.

 Tausende waren gegen die jüngsten Pläne von Regierungschef Orban auf die Straße gegangen. Foto: Julien Warnand

Tausende waren gegen die jüngsten Pläne von Regierungschef Orban auf die Straße gegangen. Foto: Julien Warnand

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Nach massiven Protesten hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban die von ihm geplante Internet-Steuer vorerst zurückgezogen. "In dieser Form ist diese Steuer nicht einführbar, weil die Diskussion darüber entgleist ist", erklärte der rechts-konservative Politiker am Freitag im staatlichen Rundfunk. In Zukunft müsse aber weiter darüber nachgedacht werden, wie mit den "ernsthaften Profiten" der Internet-Dienstleister umzugehen sei.

Zuletzt hatten in Budapest zehntausende empörte Internet-Nutzer gegen die vorgesehene Steuer demonstriert. Sie sollte nach den ursprünglichen Plänen ab 2015 eingeführt werden und den Datenverkehr mit umgerechnet rund 50 Cent pro Gigabyte belasten, mit einer Obergrenze von 2,30 Euro im Monat für Privatpersonen.

Die Facebook-Gruppe "Hunderttausende gegen die Internet-Steuer", die die Proteste organisiert hatte, verbuchte Orbans Rückzieher als klaren Erfolg für die Menschen, die auf die Straße gegangen waren. Der Regierungschef habe zugegeben, dass "wir den Willen des Volkes verkörpern", erklärte eine Sprecherin der Organisatoren am Freitag.

Mehrere tausend Menschen kamen am Freitagabend erneut im Zentrum von Budapest zusammen, um ihre Freude über die gekippte Netz-Abgabe auszudrücken. Die Redner verwiesen darauf, dass Orban zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf die Besteuerung zurückkommen könnte. "Wir machen weiter!", skandierte die Menge.

Die Regierung habe lediglich die Telekom-Steuer ausweiten wollen, die Menschen erblickten darin aber eine Internet-Steuer, sagte Orban im Rundfunkgespräch. "Sie stellen die Sinnhaftigkeit des Ganzen infrage, und so kann man nichts einführen", fügte er hinzu.

"Wir sind keine Kommunisten, wir regieren nicht gegen das Volk, sondern mit dem Volk." Allerdings werde man im kommenden Januar eine "nationale Konsultation" abhalten, um darüber zu beratschlagen, was mit den Gewinnen der Internet-Dienstleister geschehen solle, die zum Teil außer Landes geschafft würden. Beobachter erblickten darin eine mögliche Hintertür, um den Datenverkehr im Netz zu einem späteren Zeitpunkt zu besteuern.

Kritiker warfen dem seit 2010 regierenden Orban autoritäre Tendenzen vor. Tatsächlich war es das erste Mal, dass der Regierungschef nach Massenprotesten eine Entscheidung zurücknahm. Nach Medienberichten soll er sogar persönlich veranlasst haben, dass die neue Abgabe in den Entwurf des Steuergesetzpakets für 2015 aufgenommen wurde. Sie wurde nun, wie das Wirtschaftsministerium am Freitagabend bekanntgab, aus dem Gesetzesentwurf entfernt. Dieser soll am 17. November vom Parlament gebilligt werden.

Die EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes äußerte sich positiv über Orbans Rückzieher. "Ich freue mich wirklich für das ungarische Volk", erklärte sie in Brüssel. "Seine Stimme wurde gehört." Kroes hatte die Internet-Steuerpläne nach ihrem Bekanntwerden vor einer Woche gleichfalls scharf kritisiert.

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