Energiepolitik Gasfrieden zwischen Moskau und Kiew

Brüssel/Donezk · Kurz vor Wintereinbruch soll wieder russisches Gas in die Ukraine fließen. Moskau und Kiew legen ihren Gasstreit bei. Aber es droht ein neuer Konflikt: Eine umstrittene Wahl im Separatistengebiet will Russland anerkennen - die Ukraine nennt die Abstimmung rechtswidrig.

 Unterschrieben: Die Ukrainer können aufatmen. Ihre Regierung hat sich mit Moskau auf Gaslieferungen für die kalten Monate geeinigt. Foto: Thierry Chalier / European Commission

Unterschrieben: Die Ukrainer können aufatmen. Ihre Regierung hat sich mit Moskau auf Gaslieferungen für die kalten Monate geeinigt. Foto: Thierry Chalier / European Commission

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Nach ihrer mühevollen Einigung im Gasstreit droht zwischen Moskau und Kiew nun eine Kontroverse über die Wahlen in den ostukrainischen Separatistengebieten. Die prorussischen Aufständischen erklärten, sie wollten trotz internationaler Kritik an diesem Sonntag über eine neue Führung abstimmen. Die Wahl trage zur Stabilität in der Krisenregion Donbass bei, teilten die selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk am Freitag mit.

Russland forderte den Westen und die proeuropäische Regierung in Kiew auf, den Urnengang anzuerkennen. Nach Gefechten zwischen Armee und Aufständischen mit mehr als 3600 Toten sei die Abstimmung ein "Schritt zu mehr Stabilität". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande betonten hingegen, dass Wahlen in Einklang mit ukrainischem Recht erfolgen müssten.

Unter Vermittlung der EU-Kommission hatten sich Russland und die Ukraine zuvor auf ein Winterpaket mit festem Gaspreis für neue Lieferungen und die Rückzahlung von Milliardenschulden verständigt. Mit dem "Gasfrieden von Brüssel" kann Europa auf eine sichere Energieversorgung im Winter hoffen. International reagierten Regierungen erleichtert. Der Kompromiss könnte die Beziehungen zwischen beiden Ländern verbessern, lautet die Hoffnung.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) sprach im Deutschlandfunk von einem "Schritt weg von Eskalation und Verschärfungskonflikt, hin zu Deeskalation und Vertrauensbildung". Nach Marathonverhandlungen hatten die beiden Nachbarländer am Donnerstagabend eine Vereinbarung unterzeichnet. Darin geht es um die Begleichung alter Schulden und die Bezahlung künftiger Lieferungen - wobei auch europäisches Geld helfen soll. Seit Juni erhält die Ukraine kein russisches Gas mehr.

Bis Ende März soll die Ukraine einen Preis von weniger als 385 US-Dollar (etwa 305 Euro) je 1000 Kubikmeter russisches Gas zahlen. Der russische Energieminister Alexander Nowak und sein ukrainischer Kollege Juri Prodan nannten etwa 378 US-Dollar. Nowak erklärte, damit gewähre die russische Seite "eine Minderung um 100 Dollar".

Russland will nur Gas liefern, das per Vorkasse bezahlt worden ist und erwartet bald eine erste Milliardenzahlung aus Kiew. Eine Schuldentilgung sei die Bedingung für die Wiederaufnahme der Lieferungen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller. Er gehe davon aus, dass das Geld spätestens bis Ende nächster Woche in Moskau ankomme.

Die Ukraine plant der EU-Kommission zufolge bis Ende des Jahres Gaskäufe von ungefähr vier Milliarden Kubikmetern im Wert von etwa 1,5 Milliarden US-Dollar. Zur Begleichung alter Schulden soll das Land bis Ende des Jahres 3,1 Milliarden US-Dollar an Gazprom zahlen. Dieses Geld liege auf einem Sonderkonto bei der ukrainischen Staatsbank, sagte Oettinger. Eine erste Tranche von 1,45 Milliarden US-Dollar solle bereits "in den nächsten Tagen" bezahlt werden. Die Einigung umfasst den Winter - danach muss neu verhandelt werden.

Der prowestliche ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach bei einem Telefonat mit Merkel und Hollande eigenen Angaben zufolge über den Gas-Kompromiss - und auch über die Wahlen an diesem Sonntag. Berlin und Paris würden Moskau weiterhin "mit Nachdruck" vor einer Anerkennung der Abstimmung warnen, teilte Poroschenko mit. Der Druck auf Russland werde nicht nachlassen. Die EU und die USA werfen Russland die Unterstützung der Separatisten mit Kämpfern und Waffen vor und haben Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verhängt.

Ungeachtet des Streits warben die Kandidaten im Donbass am Freitag um Stimmen. Die Separatistenhochburgen wählen getrennt ihren "Republikchef" und ihre Vertretung. In Donezk sollen 100 Abgeordnete bestimmt werden, in Lugansk sind es 50. Die Wahllokale sind von 08.00 Uhr bis 20.00 Uhr (6.00 Uhr MEZ bis 18.00 Uhr MEZ) geöffnet.

Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin nannte die Abstimmung verfassungswidrig. Ein kürzlich in Kraft getretenes Gesetz sieht Kommunalwahlen in der Krisenregion am 7. Dezember vor. "Donezk und Lugansk sind allein nicht lebensfähig und ein Hort der Instabilität".

Eine Woche nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl setzten die proeuropäischen Kräfte in Kiew ihre Koalitionsverhandlungen fort. Dabei sprach sich Präsident Poroschenko für einen Verbleib von Regierungschef Arseni Jazenjuk im Amt aus. Bei erfolgreichen Diskussionen unterstütze seine Partei die Kandidatur des Politikers, sagte der Staatschef. Jazenjuks Volksfront war den Parteilisten nach am Sonntag aus der Abstimmung als stärkste Kraft hervorgegangen.

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