Russland muss mit verschärften EU-Sanktionen rechnen

Moskau/Kiew/Brüssel · Tausende Kämpfer und Hunderte Panzer sind nach Angaben der ukrainischen Führung aus dem Ausland auf ukrainisches Gebiet vorgedrungen. Die EU hält dem Kreml unverhohlene Aggression vor.

 In der Region rund um Donezk wird weiter scharf gekämpft. Foto: Roman Pilipey

In der Region rund um Donezk wird weiter scharf gekämpft. Foto: Roman Pilipey

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Russland muss nun mit nochmals verschärften EU-Wirtschaftssanktionen rechnen - als Strafe für die Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine. Kommissionschef José Manuel Barroso sagte in Brüssel nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, er erwarte eine neue Sanktionsrunde. Mehrere Optionen lägen auf dem Tisch.

In der Ukraine sind nach Einschätzung von Poroschenko inzwischen "Tausende ausländische Soldaten und Hunderte ausländische Panzer" aktiv. Der "russischen Aggression" müsse eine Reaktion Europas folgen.

Laut Nato sollen in der Ostukraine mehr als 1000 russische Soldaten im Einsatz sein. Moskau bestreitet aber, Truppen geschickt zu haben.

In Ilowaisk im umkämpften Gebiet Donezk ließen Separatisten Dutzende eingekesselte ukrainische Soldaten frei. Sie kehrten über spezielle Korridore zu ihren Lagern zurück, wie Innenminister Arsen Awakow mitteilte. Die Separatisten berichteten, es seien Hunderte Soldaten gewesen. Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Separatisten aufgerufen, den eingeschlossenen Verbänden einen Korridor zu öffnen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten zur Stunde über schärfere Sanktionen. Erst Ende Juli hatten sie den Zugang russischer Banken zu den EU-Finanzmärkten erschwert, bestimmte Hochtechnologie-Exporte verboten und Ausfuhrverbote für Spezialgeräte zur Ölförderung verhängt. Der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb sagte unmittelbar vor dem Treffen, denkbar seien nun Verbote bei Waffenausfuhren, Finanzdienstleistungen oder Gütern, die auch militärisch eingesetzt werden könnten. Er nannte auch den Energiebereich, ohne auf Details einzugehen.

Kurz vor dem Sondergipfel verurteilten auch die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Mailand Russlands "Aggression" gegen das Nachbarland und forderten den Kreml zum Rückzug seiner Truppen auf. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte: "Wir fordern Russland weiterhin auf, die Feindseligkeiten sowie den Fluss von Waffen, Ausrüstung und Personal in den Konflikt zu stoppen und seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen."

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einem direkten bewaffneten Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. "Es droht, wenn wir nicht sehr aufpassen, die Lage aus der Kontrolle zu geraten", sagte er in Mailand. Die an Russland gerichtete Botschaft der Außenminister formulierte Steinmeier so: "Es muss Vernunft zurückkehren im Sinne von Europas Sicherheit insgesamt."

Der polnische Präsident Bronis\x{0142}aw Komorowski warnte vor einem neuen russischen "Imperium" und vor einer Appeasement-Politik gegenüber Moskau. Es dürften nicht die Fehler der 1930er Jahre wiederholt werden, als man Hitler nachgegeben habe, sagte er im Deutschlandradio Kultur und im Deutschlandfunk. Nachdrücklich plädierte er für weitere Sanktionen des Westens und eine militärische Stärkung der Ostflanke der Nato. Nur Stärke schrecke die aggressive Politik Russlands ab.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite plädiert zudem für eine militärische Unterstützung der Ukraine. Russland befinde sich mit der Ukraine faktisch im Krieg und damit in Auseinandersetzungen mit einem Land, das näher an Europa rücken wolle, sagte sie in Brüssel.

Pläne der ukrainischen Führung, angesichts der heiklen Lage nun doch eine Nato-Mitgliedschaft anzustreben, stießen in Deutschland auf Zurückhaltung. Das stehe "nicht auf der Tagesordnung", sagte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert. Regierungschef Arseni Jazenjuk hatte angekündigt, er werde dem Parlament über eine Aufhebung des blockfreien Status abstimmen lassen. Seit 2010 verbietet ein Gesetz der Ukraine den Beitritt zu Militärbündnissen.

Angesichts der Kämpfe in der Ostukraine haben nach Moskauer Behördenangaben bisher mehr als 130 000 Ukrainer in Russland Flüchtlingsstatus beantragt. Insgesamt hätten sich seit Ausbruch des Konflikts im April rund 820 000 Menschen aus den umkämpften Gebieten Lugansk und Donezk in Russland niedergelassen, teilte die Migrationsbehörde mit.

Unter britischer Führung soll Informationen der "Financial Times" (Samstag) zufolge eine neue Eingreiftruppe für weltweite Einsätze entstehen. Dass die 10 000 Soldaten umfassende Truppe eine Reaktion auf die russische Ukraine-Politik ist, bestätigte die Regierung in London nicht. Neben Großbritannien würden sich an der Joint Expeditionary Force für weltweite Einsätze auch die baltischen Staaten, Norwegen, die Niederlande, Dänemark und eventuell Kanada beteiligen, schreibt die Zeitung.

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