Streit um Hilfen für Missbrauchsopfer geht weiter

Berlin · Fast vier Stunden tagte der Runde Tisch gegen Kindesmissbrauch. Viele Versprechen für die Opfer warten weiter auf Umsetzung. Fortschritte im Streit um Hilfen für Betroffene gab es nicht.

 Mahntafeln stehen am 20.08.2011 nahe der Odenwaldschule an einer Straße. Foto: Arne Dedert

Mahntafeln stehen am 20.08.2011 nahe der Odenwaldschule an einer Straße. Foto: Arne Dedert

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Nach monatelangem Streit machten sich Vertreter von Bund und Ländern gegenseitig dafür verantwortlich, dass der Start eines Fonds zur Finanzierung von Therapien für Opfer weiter in den Sternen steht. Auch beim seit 20 Monaten im parlamentarischen Verfahren schmorenden Gesetzentwurf für besseren Opferschutz deutet sich kein Durchbruch an. Der Runde Tisch gegen Kindesmissbrauch mit Vertretern von Bund, Ländern, Verbänden, Kirchen und Betroffenen zog in Berlin Bilanz, gut ein Jahr, nachdem er Empfehlungen gegeben hatte. Das Treffen dauerte knapp vier Stunden.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellten in Aussicht, dass der Fonds und das Opferschutzgesetz noch in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt würden. Der Fonds soll nach bisherigen Plänen 100 Millionen Euro umfassen, die je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden. "Es ist für mich vollkommen klar, dass wir noch in dieser Legislaturperiode diesen Fonds auf den Weg bringen müssen", sagte Schröder. Die Bundesregierung werde den Fonds notfalls mit 50 Millionen Euro allein starten lassen. Aus den anderen Ministerien gebe es für ein solches Vorgehen "positive Signale". Leider hätten die Länder bisher keine Finanzzusagen gemacht.

Mecklenburgs-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) kritisierte dagegen, Schröder habe nicht ausreichend mit den Ländern gesprochen. Seit den Empfehlungen des Runden Tisches sei wenig passiert. "Die Bilanz ist ernüchternd." Auch der Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Johannes-Wilhelm Rörig, zeigte sich enttäuscht, dass kein konkreter Termin für den Start des Hilfsfonds genannt wurde.

Beim Opferschutz mahnte Leutheusser-Schnarrenberger zur Eile. "Das Opferschutzgesetz muss in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden." Schwesig nannte es eine "Superpeinlichkeit", dass das Vorhaben von den Koalitionsfraktionen blockiert werde. Mit dem Gesetz sollen Missbrauchsfälle später als bisher verjähren. Damit soll verhindert werden, dass Täter davonkommen, weil sich ihre Opfer erst nach vielen Jahren offenbaren. Nach Leutheusser-Schnarrenbergers Worten scheitert eine Einigung bisher wegen Differenzen über eine weitergehenden Ausweitung der Verjährungsfristen.

Der Vorsitzende des Vereins "gegen-missbrauch.de", Ingo Fock, sprach von vertaner Zeit. Bund und Länder schöben sich den Schwarzen Peter gegenseitig zu. Henning Stein von der Initiative Betroffener von sexualisierter Gewalt und Missbrauch sagte, es gebe noch viele Hausaufgaben zu machen. Das Treffen des Runden Tischs markiere nicht das Ende der Arbeit. Zahlreiche Vorhaben würden blockiert.

Die Vizechefin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, sagte: "Das Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Opfern von sexuellem Missbrauch ist unwürdig." Schwarz-Gelb sitze das Thema aus. Die Vizechefin der Grünen-Fraktion, Ekin Deligöz, kritisierte: "Zu viele Versprechen der Bundesregierung bleiben bislang unerfüllt." Für die Betroffenen sei das eine ausgesprochene Zumutung. "Es ist aber auch für den Kinderschutz generell kein ermutigendes Signal."

Nachdem vor drei Jahren ein ungeahntes Ausmaß an Missbrauchsfällen bekanntgeworden war, wurde der Runde Tisch eingerichtet. Vor 15 Monaten gab er Empfehlungen für das weitere Vorgehen ab. Opfervertreter hatten sich bereits vor dem Treffen tief enttäuscht gezeigt, weil zu wenig passiert sei. Die Ministerinnen lobten hingegen zahlreiche bisher auf den Weg gebrachte Initiativen und Projekte. Dabei geht es um Vorbeugung und Forschung.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, die Kultur des Vertuschens und Verschweigens sei beendet. Es gebe auch Leitlinien für das Einschalten der Staatsanwaltschaften. "Denn genau das ist das, was uns intensiv in den ersten Monaten beschäftigt hat, dass es nicht die notwendige Information an Verfolgungsbehörden gegeben hat."

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