Gesetz zur Tarifeinheit passiert den Bundestag

Berlin · Nach fünf Jahren kehrt Deutschland zum Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" zurück. Das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit nahm im Bundestag die letzte Hürde. Union und SPD stimmten mit großer Mehrheit und gegen den Widerstand der Opposition dafür.

 Andrea Nahles verfolgt im Plenarsaal die abschließende Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs. Foto: Rainer Jensen

Andrea Nahles verfolgt im Plenarsaal die abschließende Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs. Foto: Rainer Jensen

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Dabei gab es aber auch 16 Gegenstimmen aus der CDU/CSU und eine aus der SPD. Das Gesetz dürfte im Juli in Kraft treten, die Zustimmung des Bundesrats gilt als Formsache.

Mit dem Gesetz soll die Macht kleiner Spartengewerkschaften eingedämmt werden. Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb dieselben Arbeitnehmergruppen vertreten, gilt künftig nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb. Vor dem Hintergrund des Tarifkonflikts bei der Bahn hatten Gegner das Gesetz als "Lex GDL" kritisiert, also als Projekt, das vor allem gegen die kleine Lokführergewerkschaft GDL gerichtet sei. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Tarifeinheit im Juni 2010 gekippt.

Der Beamtenbund dbb und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kündigten an, sobald es geht, Verfassungsklage gegen das Gesetz zu erheben. Das Gesetz zerstöre den Betriebsfrieden, sagte dbb-Chef Klaus Dauderstädt.

In der turbulenten Debatte verteidigte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) das Gesetz als Mittel zur Stärkung der Tarifautonomie. "Das Koalitionsrecht und das Streikrecht tasten wir nicht an." Kollektives Handeln werde aber ad absurdum geführt, wenn nur für einzelne Gruppen gekämpft werde.

Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst kritisierte: "Das Gesetz ist eine Einschränkung des Streikrechts kleiner Gewerkschaften." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, kleine Gewerkschaften hätten das Tarifniveau immer wieder angehoben. "Die SPD steht an vorderster Front, dass das Tarifniveau nicht nach oben gezogen wird."

Nahles lobte die geplante Schlichtung zwischen Lokführergewerkschaft GDL und Bahn. "Das ist der Sinn des Gesetzes: Wir setzen auf Kooperation und Einigung." Der Bahn-Streik war abgebrochen worden, nachdem sich Bahn und GDL auf eine Schlichtung geeinigt hatten.

"60 Jahre lang hat unser Land von der Tarifeinheit profitiert", sagte Nahles. Die GDL habe stets für die Lokführer eintreten können, auch bevor das Bundesarbeitsgericht die Tarifeinheit 2010 kippte. "Die Tarifeinheit läuft nicht auf das Ende kleiner Gewerkschaften hinaus."

Der CDU-Sozialpolitiker Karl Schiewerling sagte in der Debatte: "Mit diesem Gesetzentwurf spalten wir nicht, mit diesem Gesetzentwurf einen wir." Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten und Marburger-Bund-Chefs Rudolf Henke stellt das Gesetz das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dagegen infrage.

In namentlicher Schlussabstimmung gab es 448 Ja-Stimmen. 126 Parlamentarier stimmten dagegen, 16 enthielten sich.

DGB-Chef Reiner Hoffmann verteidigte das Gesetz auf NDR Info. Verdi-Chef Frank Bsirske sagte der Deutschen Presse-Agentur dagegen: "Wenn in jedem Betrieb ermittelt werden muss, welche Gewerkschaft dort die Mehrheit der Beschäftigten organisiert, wird die Konkurrenz der Gewerkschaften untereinander deutlich zunehmen."

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer begrüßte das Gesetz. Es bringe Rechtssicherheit. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, sagte den Spartengewerkschaften in Karlsruhe einen Misserfolg voraus: Sie hätten sich in der Vergangenheit trotz Tarifeinheit gegründet, etabliert und Arbeitskämpfe geführt.

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