Ukraine-Konflikt Säbelrasseln im Ukraine-Konflikt zwischen Moskau und Washington

Kiew/Moskau/Chisinau · Die Drohungen sind unüberhörbar. Russlands Außenminister Lawrow wirft den USA vor, die ukrainische Regierung zu steuern. Sein US-Kollege Kerry spricht Moskau die Glaubwürdigkeit ab. Frank-Walter Steinmeier warnt: "Die Uhr tickt."

Der Ton zwischen den USA und Russland wird angesichts der anhaltenden Gewalt in der Ukraine immer rauer. Der russische Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte die USA am Mittwoch, das Vorgehen der prowestlichen Machthaber in Kiew zu steuern. Er habe keine Zweifel, dass die Amerikaner "die Show dirigieren", sagte er. US-Außenminister John Kerry warf Moskau seinerseits vor, sich nicht ernsthaft um eine Beruhigung der Lage in der Ostukraine zu bemühen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief Moskau und Kiew gleichermaßen auf, zur Deeskalation beizutragen.

Knapp eine Woche nach der Genfer Einigung auf einen Friedensplan bleibt die Lage im Osten des Landes bedrohlich. In mehreren Orten halten moskautreue Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt. Die Regierung in Kiew nahm den "Anti-Terror"-Einsatz wieder auf. Die USA entsenden Truppen zu Manövern nach Osteuropa.

Bei der "Anti-Terror-Operation" in der Ostukraine gegen prorussische Separatisten eroberten Regierungseinheiten am Mittwoch nach eigenen Angaben den Ort Swjatogorsk zurück. Die moskautreuen Aktivisten seien vertrieben worden, teilte das Innenministerium in Kiew mit. Es habe keine Opfer gegeben. Die Separatisten kontrollieren weiterhin die 30 Kilometer südlich gelegene Stadt Slawjansk.

Kiew beschuldigte Russland am Mittwoch offen, Terroristen und Separatisten zu unterstützen. Moskau müsse seine Verpflichtungen aus dem Genfer Abkommen umsetzen und auf seine Anhänger einwirken, um in der Ostukraine die "Gewalt zu beenden und Geiseln sowie besetzte Gebäude freizugeben", verlangte die ukrainische Regierung.

Der russische Außenminister Lawrow wies jeden Einfluss Moskaus auf die Bewaffneten zurück. In einem Interview des Staatsfernsehsenders RT warnte er zugleich: "Jeder Angriff auf russische Bürger ist ein Angriff auf die Russische Föderation."

US-Vizepräsident Joe Biden hatte am Dienstag Kiew besucht. Danach ordnete Interimspräsident Alexander Turtschinow an, die über Ostern gestoppte "Anti-Terror-Operation" im Gebiet Donezk wieder aufzunehmen.

Nach dem Genfer Abkommen zwischen Russland, den USA und der EU sowie der Ukraine müssen alle paramilitärischen Gruppen ihre Waffen abgeben und besetzte Gebäude räumen. Russland und die Ukraine streiten aber über die Auslegung der Beschlüsse.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Laurent Fabius besuchten am Mittwoch die ehemalige Sowjetrepublik Moldau. Dort bekräftigten sie den Willen der EU, in Kürze ein Assoziierungsabkommen mit dem Nachbarland der Ukraine zu unterzeichnen. Die Annexion der Krim durch Russland hat in Moldau Befürchtungen geweckt, es könnte ein ähnliches Szenario in Transnistrien geben, einer abtrünnigen, prorussischen Region im Osten des Landes. Von Moldau reisen Steinmeier und Fabius nach Georgien, das 2008 einen Krieg mit Russland um die georgischen Regionen Südossetien und Abchasien verloren hat.

Steinmeier rief Moskau und Kiew auf, zur Deeskalation in der Ostukraine beizutragen. Die bei den Verhandlungen in Genf über eine Konfliktlösung mühevoll erkämpfte Chance dürfe nicht ungenutzt verstreichen, sagte Steinmeier. "Jeder Tag, der vergeht wie das vergangene Wochenende, mit steigender Gewalt, mit einer wachsenden Anzahl von Besetzungen öffentlicher Gebäude, jeder dieser Tage macht eine Lösung immer schwieriger." Es müssten alle diplomatischen Mittel genutzt werden, um die Genfer Vereinbarung mit Leben zu füllen. "Die Uhr tickt. Jede weitere Eskalation macht eine Lösung des Konflikts immer schwieriger."

Als Beispiel für die Gewalt nennt die Regierung in Kiew den zu Tode gefolterten Politiker Wladimir Rybak von der Vaterlandspartei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Er hatte sich für eine Einheit der Ukraine eingesetzt. Seine Leiche wurde in einem Fluss in der Nähe der von moskautreuen Kräften kontrollierten Stadt Slawjansk gefunden.

Die Aktivisten in Slawjansk halten nach eigenen Angaben weiter einen Journalisten mit US- und israelischer Staatsbürgerschaft fest. Simon Ostrovsky vom US-Magazin "Vice" stehe im Verdacht, ein Spion der ultranationalistischen Gruppe Rechter Sektor zu sein, sagte der selbst ernannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow. Eine Bestätigung der Behörden gab es zunächst nicht.

Der russischen Internetzeitung gazeta.ru sagte Ponomarjow: "Wir brauchen Gefangene. Wir brauchen Verhandlungsmasse." Ostrovsky war am Montag gemeinsam mit vier anderen Reportern an einem Kontrollpunkt von Bewaffneten gestoppt und festgenommen worden. Die übrigen Journalisten kamen am Dienstagmorgen frei, wie das US-Magazin "Time" berichtete. In Slawjansk und der nahen Stadt Gorlowka sind nach Informationen örtlicher Medien in der vergangenen Woche bis zu 16 Menschen verschleppt worden.

In der Stadt Krasnodon besetzten etwa 2000 streikende Bergarbeiter ein Bürogebäude und hissten die Fahne der Separatisten. Die Streikenden fordern bis zu 25 Prozent mehr Lohn. Die betroffenen Minen gehören dem reichsten Ukrainer, dem Oligarchen Rinat Achmetow.

Im drohenden Gaskonflikt wollen sich die EU und Russland mit der Ukraine zu Dreier-Gesprächen treffen. Der russische Energieminister Alexander Nowak schlug als Termin den kommenden Montag (28. April) in Moskau vor. EU-Energiekommissar Günther Oettinger habe dieses Format angeregt, sagte Nowak der Agentur Interfax. Kremlchef Wladimir Putin hatte vor kurzem die EU-Länder vor Engpässen bei der Energieversorgung als Folge des Ukraine-Konflikts gewarnt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Geht jeden an
Kommentar zur Organspende Geht jeden an
Zum Thema
Aus dem Ressort