Proteste in Hongkong nehmen kein Ende

Hongkong · Die Massenproteste haben in Hongkong die schwerste politische Krise seit Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China ausgelöst. Die Demonstrationen für mehr Demokratie in der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion weiteten sich aus.

 Polizisten und Demonstranten geraten vor dem Regierungsgebäude in Hongkong aneinander. Foto: Jerome Favre

Polizisten und Demonstranten geraten vor dem Regierungsgebäude in Hongkong aneinander. Foto: Jerome Favre

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Zehntausende blockierten am Montag nicht nur den Finanzdistrikt, sondern erstmals auch andere Teile der asiatischen Wirtschaftsmetropole. Ein Ende der Proteste ist nicht in Sicht.

Die Organisatoren riefen die Hongkonger auf, die Demonstrationen so lange fortzusetzen, bis ihre Forderung nach mehr Demokratie erhört werde. Die Bundesregierung ermahnte China dazu, friedliche Kundgebungen zu tolerieren. "Die Meinungsfreiheit hat in Hongkong eine große Tradition", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Chinas Regierung gab sich kompromisslos. Die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Hua Chunying, verurteilte die "illegalen Aktivitäten". Andere Länder warnte Hua vor einer "Einmischung in interne Angelegenheiten", indem sie die Demonstranten unterstützten. Chinas Staatsmedien sahen "radikale Oppositionskräfte" am Werk. Vergleiche mit der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in China wurden zurückgewiesen. "China ist nicht mehr die gleiche Nation wie vor 25 Jahren", kommentierte die "Global Times".

Chinas Regierung zeigte "volles Vertrauen" in die Regierung der autonomen Sonderverwaltungsregion, wieder Herr der Lage zu werden. Die Proteste entzündeten sich an einer Wahlreform, mit der Peking für 2017 zwar direkte Wahlen, aber keine freie Nominierung der Kandidaten zulassen will. Die ehemalige britische Kronkolonie wird heute nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als völlig eigenständiges chinesisches Territorium mit Landesgrenzen autonom regiert.

In einer Fernsehansprache rief Regierungschef Leung Chun-ying die sieben Millionen Hongkonger zu Ruhe und Ordnung auf. Er dementierte Gerüchte, dass seine Regierung die chinesische Volksbefreiungsarmee um Hilfe gebeten habe. Leung forderte die Demonstranten vergeblich auf, nach Hause zu gehen. "Wir wollen kein Chaos in Hongkong." Kommentatoren sahen besondere Symbolik, als eine rote chinesische Nationalflagge auf einem Behördengebäude bei Admiralty - absichtlich oder zufällig - falsch herum gehisst worden war.

Im Laufe des Montags wuchs die Menge der Demonstranten weiter an. Wegen der vielen Schirme, die Demonstranten sowohl zum Schutz vor Tränengas und Pfefferspray als auch vor der Sonne mitgebracht hatten, war scherzhaft von einer "Regenschirm-Revolution" die Rede.

Offenbar um die Lage zu beruhigen, kündigte die Polizei an, ihre speziell gegen Unruhen ausgerüsteten Einsatzkräfte zurückzuziehen. Als Grund wurde angegeben, dass sich die Demonstranten friedlich verhielten. Bis zum Abend wurde die Polizeipräsenz stark reduziert.

Tausende Demonstranten saßen auf den Straßen und schwenkten die Leuchten an ihren Handys zu einem Lichtermeer. In der Nacht zuvor war die Polizei teilweise gewaltsam mit Tränengas, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstranten vorgegangen, ohne die Massen auflösen zu können. Mindestens 70 Teilnehmer wurden seit Freitag bei den Protesten verletzt, berichtete die Polizei. Dutzende seien festgenommen worden. 87 Mal sei Tränengas abgefeuert worden.

"Ich habe keine Angst, weil Hongkong viele Leute hat, die mutig genug sind, die Stadt und unsere Freiheit zu verteidigen", sagte der 18-jährige Andrew Ngang der dpa. Der langjährige Oppositionspolitiker Martin Lee sagte in einem CNN-Interview: "Die ganze Welt kann sehen, dass Hongkong Demokratie will." Die Bewegung sei friedlich. "Sie wollen dafür kämpfen - und sie sind bereit, dafür zu sterben."

Wichtige Verkehrsadern in den Bezirken Admiralty, Wan Chai, Causeway Bay sowie in Mong Kok in Kowloon waren blockiert. "Aus Occupy Central ist Occupy Hongkong geworden", sagten Aktivisten. Das Geschäftsleben lief dennoch ohne große Beeinträchtigungen. Viele Finanzhäuser hatten Vorkehrungen getroffen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Die Studenten, deren Proteste zum Ende eines einwöchigen Streiks die Welle von Demonstrationen ausgelöst hatten, kündigten an, ihren Boykott des Unterrichts auf unbestimmte Zeit auszudehnen. Aus Angst vor einer Verbreitung der Bilder aus Hongkong in China blockierte die chinesische Zensur auch die Foto-Plattform Instagram. Youtube oder soziale Netzwerke wie Twitter sind in China ohnehin gesperrt.

Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte seine Reisehinweise für Hongkong. "Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Proteste erneut eskalieren, wird empfohlen, die Versammlungsorte zu meiden", heißt es auf der Internet-Seite des Ministeriums.

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