Co-Pilot soll Andeutungen gemacht haben - Technischer Defekt bislang nicht ausgeschlossen

Paris/Düsseldorf · Wenige Kilometer von der Unglücksstelle entfernt haben am Samstag Hunderte Menschen der Opfer des Flugzeugabsturzes vom Dienstag gedacht. Verschiedene Medien veröffentlichten am Samstag weitere Details über die angebliche persönliche und gesundheitliche Situation des Co-Piloten, der den Absturz des Flugzeugs bewusst verursacht haben soll.

 Ein Mann zündet 150 Kerzen vor einem Gedenkgottesdienst in Gedenken an die Opfer des Germanwings A320 Absturz an. Foto: Daniel Naupold

Ein Mann zündet 150 Kerzen vor einem Gedenkgottesdienst in Gedenken an die Opfer des Germanwings A320 Absturz an. Foto: Daniel Naupold

Foto: DPA

Die "Bild"-Zeitung zitiert am Samstag eine Ex-Freundin von Andreas L. Laut der Flugbegleiterin habe Andreas L. sein Vorhaben letztes Jahr bereits angedeutet. Damals habe er ihr gesagt, dass er eines Tages etwas tun werde, das das ganze System verändern wird. Alle würden dann seinen Namen kennen und in Erinnerung behalten.

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" kämpfte der Germanwings-Copilot mit einer schweren psychosomatischen Erkrankung. Laut Bericht der Zeitung fanden Ermittler in seiner Wohnung zahlreiche Medikamente. "Der 27-Jährige ist von mehreren Neurologen und Psychiatern behandelt worden", sagte ein hochrangiger Fahnder der "Welt am Sonntag".

Die "Persönlichkeit" von L. sei eine "ernsthafte Spur" in den Ermittlungen, aber nicht die einzige, sagte der Leiter einer französischen Gendarmerie-Delegation bei der Polizei in Düsseldorf, Jean-Pierre Michel, der Nachrichtenagentur AFP. Es sei noch kein "spezielles Element" im Leben von L. - wie Liebeskummer oder berufliche Probleme - identifiziert worden, das dessen mögliches Verhalten erklären könne. Das Umfeld von L. stehe im Moment aber besonders im Fokus der Ermittlungen.

Am Absturzort des Germanwings-Flugzeugs in den französischen Alpen setzten Bergungskräfte unterdessen ihre Arbeit fort. Die Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa sicherte den Hinterbliebenen finanzielle Soforthilfe zu.

Französische Ermittler untersuchen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine auch die Möglichkeit eines technischen Defekts. "Derzeit kann die Hypothese eines technischen Fehlers nicht ausgeschlossen werden", sagte der Chef der in Düsseldorf eingesetzten französischen Ermittler, Jean-Pierre Michel, am Samstag dem französischen Sender BFMTV. Die Ermittlungen gingen voran, es fehlten aber noch "technische Details".

Bei den gemeinsamen Ermittlungen sollten Erkenntnisse vom Absturzort und dem Flugverlauf mit Ergebnissen der deutschen Ermittler verbunden werden, sagte Michel. Nach bisherigen Erkenntnissen soll der Copilot der Germanwings-Maschine den Airbus zum Absturz gebracht haben.

Weitere Informationen zu den Entwicklungen im Überblick:

TRAUERANDACHT: In der Kathedrale der Gemeinde Digne-les-Bains brannten am Samstag 150 Kerzen zur Erinnerung an die Toten. In dem voll besetzten romanischen Bau versammelten sich mehrere Hundert Menschen zur Andacht. Digne-les-Bains liegt nur wenige Kilometer von der Stelle entfernt, wo der Germanwings-Airbus am Dienstag abgestürzt war.

BEILEID: Mit ganzseitigen Anzeigen in großen deutschen Tageszeitungen bekundeten die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings den Hinterbliebenen der Absturzopfer ihre Anteilnahme. "Der unfassbare Verlust von 150 Menschenleben erfüllt uns mit tiefster Trauer. Unser aufrichtiges Beileid, unsere Gedanken und Gebete gelten allen Angehörigen und Freunden unserer Gäste und Kollegen", hieß es in der am Samstag erschienenen Anzeige. Auch Angehörige der Passagiere des verschwundenen Malaysia-Airlines-Fluges MH370 bekundeten ihr Beileid. "Wir geben ihnen unsere Unterstützung in diesen herzzerreißenden Zeiten", erklärten sie auf Facebook.

TRAUERFEIER: Im Kölner Dom soll am 17. April mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer des Flugzeugabsturzes vom vergangenen Dienstag gedacht werden. Erwartet werden dazu neben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vertreter aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern, aus denen die Opfer der Flugkatastrophe stammten.

SUCHE: Die Bergungskräfte suchen am fünften Tag in Folge nach den sterblichen Überresten der Absturzopfer und nach dem zweiten Flugschreiber. Er soll weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit vor dem Absturz liefern. Das französische Fernsehen zeigte, wie Hubschrauber erneut in den Einsatz flogen. Rechtsmediziner arbeiten an der Identifizierung der sterblichen Überreste, die schon ins Tal gebracht wurden.

STIMMENREKORDER: Aus den Aufnahmen des schon gefundenen Stimmenrekorders schließen die französischen Ermittler, dass der Copilot von Flug 4U 9525 den Piloten aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit 150 Menschen an Bord mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht hat. Am Freitag wurde bekannt, dass der Copilot des abgestürzten Airbus nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber Germanwings eine Krankschreibung verheimlicht hat. Der Fluggesellschaft lag nach eigenen Angaben keine Krankschreibung des Copiloten vor.

MOTIVSUCHE: Fahnder entdeckten bei dem 27 Jahre alten Copiloten zu Hause "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen", wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mitteilte. Ein Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben wurden nicht gefunden. Ermittler hatten am Donnerstag zwei Wohnungen des Mannes durchsucht, der seit 2013 als Copilot für Germanwings flog. Über die Art der Erkrankung wurde nichts mitgeteilt. Die Ermittler hatten nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht.

ABSTURZSTELLE: Der Copilot der abgestürzten Germanwings-Maschine soll die Unglücksregion in den Alpen als Jugendlicher gut gekannt haben. Seine Eltern seien dort mit ihrem Flugverein hingereist, sagte Francis Kefer vom Flugfeld in Sisteron dem französische Sender iTele. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle in den südostfranzösischen Alpen. "Zwischen 1996 und 2003 ist der Club aus Montabaur regelmäßig hierhergekommen", sagt Kefer in dem Bericht vom Samstag. Auch der Copilot sei damals mit seinen Eltern dabei gewesen. Der Verein sei zum Segelfliegen gekommen. In Deutschland gebe es die meisten Segelflieger, sagte Kefer.

PERSONALAKTE: Das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig hat die Personalakte von Andreas L. geprüft. "Wir haben Einsicht in die Unterlagen genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben", sagte Holger Kasperski vom Luftfahrt-Bundesamt am Samstag der dpa.

SOFORTHILFE: Eine Lufthansa-Sprecherin bestätigte am Freitagabend einen "Tagesspiegel"-Bericht, wonach der Konzern den Angehörigen der Opfer eine Soforthilfe zahlen will. "Lufthansa zahlt bis zu 50 000 Euro pro Passagier zur Deckung unmittelbarer Ausgaben", zitierte die Zeitung einen Germanwings-Sprecher. In der Nähe der Absturzstelle in Frankreich eröffnet Germanwings am Samstag ein Betreuungszentrum für Angehörige.

KONSEQUENZEN: Die deutschen und andere europäische Fluggesellschaften zogen schnell Konsequenzen aus dem Absturz und verschärften mit sofortiger Wirkung ihre Regeln für die Besetzung im Cockpit. Kein Pilot darf sich bis auf weiteres mehr allein dort aufhalten. Weltweit reagierten auch viele andere Airlines.

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