Papst Franziskus will offeneren Umgang mit Homosexuellen

Rom · Schwulen-Lobbys im Vatikan, die Vatileaks-Affäre und Frauen in der Kirche: Beim Rückflug aus Rio de Janeiro redet Papst Franziskus überraschend offen. Auch für einige persönliche Einblicke und Geständnisse bleibt Zeit.

Papst Franziskus hat für einen offeneren Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen geworben. Er wolle nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung über Schwule urteilen.

Der 76-Jährige kehrte am Montag von seiner ersten Auslandsreise nach Brasilien in den Vatikan zurück. Im Flugzeug stand er mitreisenden Journalisten rund 80 Minuten lang Rede und Antwort, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Dabei kündigte er auch weitere Reformen in der römischen Kurie und in der Vatikan-Skandalbank IOR an. Als großes Problem bezeichnete er die Vatileaks-Affäre um gestohlene Dokumente im Vatikan.

"Wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?", antwortete der Papst laut "Wall Street Journal" auf eine Frage zur Haltung der Kirche zu homosexuellen Priestern. Es werde viel über Schwulen-Lobbys geschrieben. Er habe aber bisher niemanden im Vatikan gefunden, in dessen Ausweis "Gay" gestanden habe. "Man muss unterscheiden zwischen Schwulsein, diese Tendenz haben oder Lobby machen", sagte Franziskus. "Die Lobbys, alle Lobbys sind nicht gut", betonte er.

Schwulenorganisationen begrüßten die Äußerungen des Papstes, wonach Homosexuelle nicht ausgegrenzt, sondern in die Gesellschaft integriert werden müssten. "Vielleicht zum ersten Mal kommen von einem Papst nicht offen homophobe Worte", sagte der italienische Abgeordnete und Schwulen-Aktivist Alessandro Zan laut Ansa. "Gibt es etwa eine Kursänderung im Vatikan? Das darf bezweifelt werden, aber diese Äußerungen des Papstes (...) sind neu", so Zan. Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck machen die Worte des Papstes Hoffnung. "Aber vielmehr als eine Hoffnung ist es nicht", so Beck. Auch gebe das obskure Wettern des Papstes gegen eine sogenannte Schwulenlobby Rätsel auf.

Franziskus sprach sich auch für eine stärkere Einbindung der Frauen in der Kirche aus. Mädchen seien heute Messdiener, Frauen hielten die Lesung, es müsse aber noch mehr geschehen - "auch auf der Ebene der Theologie", sagte der Papst, ohne Details zu nennen. Zugleich erinnerte Franziskus jedoch an das Nein des ehemaligen Papstes Johannes Paul II. zur Frauenordination. "Diese Tür ist geschlossen", sagte er.

Zu seiner bescheidenen Unterkunft im Gästehaus Santa Marta im Vatikan erläuterte Franziskus, er brauche Menschen um sich herum. "Ich lebe in Santa Marta, weil ich nicht allein sein kann. Ich brauche das Leben in der Gemeinschaft, tatsächlich und auch aus psychiatrischen Gründen", sagte er. Die Papstgemächer im Apostolischen Palast seien zwar groß, aber nicht luxuriös, betonte er. Auch die Kardinäle lebten in Appartements und seien sparsam. "Es gibt auch viele Heilige in der Kurie. Aber sie machen keinen Lärm - ein Baum, der fällt, macht mehr Lärm als ein Wald, der wächst", sagte Franziskus.

Der Pontifex sprach von einer schönen Brasilienreise. Die Tage in Rio hätten ihm spirituell gutgetan. Trotz Sicherheitsbedenken sei es wichtig gewesen, den Menschen in einem offenen Fahrzeug zu begegnen und nicht hinter Glas. "Man kann nicht ein Volk mit einem so großen Herzen in einem Glaskasten besuchen." Als mögliche Ziele seiner nächsten Auslandsreisen nannte Franziskus Israel, ausdrücklich Jerusalem, und Asien.

Jugendlichen seines Heimatlandes Argentinien hatte der Papst kürzlich gesagt, auch er fühle sich manchmal wie in einem Käfig. Darauf angesprochen sagte er im Flugzeug: "Sie ahnen nicht, wie gern ich manchmal durch die Straßen Roms gehen würde, das hat mir früher so gut gefallen."

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