Regierung: Keine personellen Konsequenzen wegen BND-Affäre

Berlin · Die Bundesregierung sieht in der Spionageaffäre um den Bundesnachrichtendienst (BND) trotz entsprechender Forderungen aus der Opposition derzeit keinen Anlass für personelle Konsequenzen.

 Eine Überwachungskamera am Gebäude der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin. Foto: Paul Zinken

Eine Überwachungskamera am Gebäude der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin. Foto: Paul Zinken

Foto: DPA

Diese Frage stelle sich momentan nicht, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Zunächst stehe die Aufklärung des Sachverhalts im Vordergrund. Neben Linken und Grünen hatte auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich bei einem Besuch in Polen nicht zu den Vorwürfen gegen den BND und ihre Regierungszentrale äußern. Sie verwies am Rande der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen auf die Erklärung der Bundesregierung vom Donnerstag, in der von technischen und organisatorischen Defiziten beim BND die Rede war. "Dem habe ich nichts Neues hinzuzufügen", sagte sie.

Der BND soll dem US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die Vorwürfe waren am Donnerstag bekanntgeworden. Zunächst hieß es, das Kanzleramt sei erst im März informiert worden. Am Sonntag hatte die Bundesregierung dann bestätigt, dass der BND das Kanzleramt schon 2008 über Spähversuche der Amerikaner gegen europäische Ziele informiert hatte.

Laut "Bild am Sonntag" liegt dem NSA-Untersuchungsausschuss zudem ein Dokument von 2010 vor, das zur Vorbereitung eines Treffens des Kanzleramtschefs mit US-Vertretern diente. Auch darin habe der BND auf die rechtswidrige NSA-Praxis hingewiesen. Das Kanzleramt hat die Aufsicht über den BND. 2008 war der heutige Innenminister Thomas de Maizière Kanzleramtschef, 2010 war es Ronald Pofalla (beide CDU).

Wirtz betonte, durch die Dokumente von 2008 und 2010 allein seien zunächst keine Defizite erkennbar gewesen. Die Unterlagen seien im Herbst 2014 an den NSA-Untersuchungsausschuss gegangen. Erst als dieser weitere Unterlagen angefordert habe, seien neue Erkenntnisse ans Licht gekommen - und damit auch Defizite beim BND.

Der Chef des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), ist dagegen, de Maizière sofort in den Bundestagsausschuss zu laden. "Das wäre zu früh", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das Gremium wolle zunächst Anfang Mai mehrere BND-Mitarbeiter befragen. Es sei auch wichtig, erst die Listen über mögliche Spähziele der USA einzusehen. Die Linke hatte gefordert, de Maizière schnell zu laden. Sensburg wies zudem den Fahimi-Vorstoß zurück, wegen der neuen Erkenntnisse den Untersuchungsauftrag des Ausschusses zu erweitern.

Der Vorsitzende der Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, André Hahn (Linke), kritisierte, wenn es schon 2008 einen oder gar mehrere Berichte des BND über versuchte oder erfolgte Wirtschaftsspionage seitens der NSA an die Aufsichtsbehörde gegeben hat, "hätte das Bundeskanzleramt das Parlamentarische Kontrollgremium erneut belogen". Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der Mitglied im Kontrollgremium ist, forderte im ZDF personelle Konsequenzen sowohl im BND als auch im Kanzleramt.

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