Orkan über Deutschland: Bahn-Chaos und mehrere Tote

Berlin · Ausnahmezustand bei der Bahn, Orkan-Chaos auf den Straßen, mehrere Tote und Verletzte: Mit Böen von bis zu 192 Stundenkilometern ist Orkantief "Niklas" quer von Westen nach Osten über Deutschland gefegt.

 Zerstörten Triebwagen des Regionalexpresses Bayreuth-Nürnberg: Der Zug war in einen umgeworfenen Baum gefahren. Foto: Klaus Altmann-Dangelat/Nordbayerischer Kurier

Zerstörten Triebwagen des Regionalexpresses Bayreuth-Nürnberg: Der Zug war in einen umgeworfenen Baum gefahren. Foto: Klaus Altmann-Dangelat/Nordbayerischer Kurier

Foto: DPA

In Rheinland-Pfalz starben am Dienstag zwei Männer, als ein Baum auf ihr Fahrzeug krachte. In Sachsen-Anhalt erschlug eine Mauer einen Mann. Auch in Österreich und der Scheiz gab es zwei Unwettertote. "Niklas" sollte in der Nacht über den Nordosten abziehen.

Auf der Schiene ging vielerorts nichts mehr. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stand der Nahverkehr still, am Abend auch in Mecklenburg-Vorpommern. In Deutschlands größtem Bundesland Bayern wurde der Fernverkehr am Nachmittag komplett eingestellt. Anderswo rollten die Züge mit gedrosseltem Tempo. "Der Orkan Niklas hat die Bahn mit voller Wucht getroffen", sagte Bahn-Sprecher Achim Stauß. "Wichtig ist, dass wir zum Osterreiseverkehr ab Donnerstag wieder alles in Schuss haben."

Bundesweit waren Polizisten und Feuerwehrleute im Dauereinsatz. Häuser wurden beschädigt, Wind und umstürzende Bäume rissen Stromleitungen herunter. Auf Straßen und Autobahnen blockierten umgekippte Lastwagen und Anhänger den Verkehr. Im Fährverkehr zu den ostfriesischen Inseln kam es zu Einschränkungen. Schiffe fielen aus oder konnten erst später ablegen. Die Verbindung zwischen Cuxhaven und der Hochseeinsel Helgoland wurde komplett gestrichen.

Probleme meldete auch Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt am Main. Am Abend sprach der Betreiber Fraport von 180 ausgefallenen Starts und Landungen.

Bei den Regionalbahnen waren einzelne Strecken gesperrt. Der Münchner Hauptbahnhof wurde geräumt, weil Dachfenster herabzustürzen drohten. In der Nähe von Osnabrück (Niedersachsen) kippten mehrere entwurzelte Bäume auf einen Intercity mit etwa 350 Menschen an Bord. Verletzt wurde nach Angaben der Bundespolizei niemand.

Die Bahn versprach, sich um Fahrgäste zu kümmern, sollten diese an Bahnhöfen stranden. "Wir versuchen auch Übernachtungsmöglichkeiten bereitzustellen, für diejenigen, die gar nicht mehr wegkommen", sagte Stauß. In den Bahnhöfen Hannover und Bremen wurden Züge für die Nacht praktisch zu Hotels umfunktioniert.

In Sachsen-Anhalt wurde laut Polizei ein Hausbesitzer aus Groß Santersleben vor seiner Haustür unter einer umstürzenden Betonmauer begraben. In der Nähe von Montabaur im Westerwald stürzte ein Baum auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei Bad Ems, die beiden 21 und 23 Jahre alten Insassen wurden tot geborgen.

Im österreichischen Mauthausen starb ein Mann, der während des Sturms seine Terrassenüberdachung sichern wollte. Dabei stürzte er von der Leiter und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu, wie die Nachrichtenagentur APA berichtete. In der Schweiz ist im Sturm ein 75-jähriger Autofahrer ums Leben gekommen. Er war laut Polizei unweit der deutsch-schweizerischen Grenze unterwegs, als ein Baum auf sein Fahrzeug krachte. Der Mann starb noch an der Unfallstelle.

Mehrere zehntausend Haushalte in Bayern blieben ohne Strom; für tausend Haushalte sollte der Zustand über Nacht anhalten, so der Versorger Bayernwerk AG. Auch in Sachsen blieben zeitweise bis zu 15 000 Kunden ohne Elektrizität. In mehreren Bundesländern wurden Windkraftanlagen ausgeschaltet. Zoos machten ihre Pforten dicht. In Hamburg blieb der Dom mit seinen Karussells geschlossen.

Bei Hagen in Nordrhein-Westfalen riss der Sturm ein Baugerüst von der Lennetalbrücke (A45) ab. Zwei Arbeiter, die in 20 Metern Höhe mit Schweißarbeiten beschäftigt waren, fielen in die Tiefe und verletzten sich schwer. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sagte: "Kaum ist der eine Baum aufgeräumt, stürzt der nächste um."

Es sei einer der stärksten Stürme der vergangenen Jahre, sagte Meteorologe Lars Kirchhübel vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Am heftigsten tobte "Niklas" auf Deutschlands höchstem Berg, der für die Öffentlichkeit gesperrten Zugspitze (2962 Meter) in den Alpen, mit Böen von 192 Stundenkilometern. Der Spitzenwert im Tiefland wurde laut DWD bis zum frühen Abend mit 140 Stundenkilometern erreicht. Auch am Mittwoch werde es windig bis stürmig - "das Gröbste ist dann aber vorbei", sagte DWD-Sprecher Kirchhübel.

Laut DWD wird das Osterfest in diesem Jahr ungemütlich nass-kalt. Nach dem Abzug von "Niklas" erreicht Polarluft aus dem Norden Deutschland. Am Sonntag und Montag soll das Wetter bei 2 bis 13 Grad und häufigen Schauern nicht gerade nach draußen locken.

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