Neuer EU-Gipfelchef Tusk soll Putin die Stirn bieten

Brüssel · Mit der Ernennung von Polens Regierungschef Donald Tusk (57) zum neuen EU-Ratspräsidenten setzt Europa ein klares Zeichen gegen russische Expansionsbestrebungen.

 Donald Tusk nach seiner Wahl zum EU-Ratspräsidenten. Foto: Julien Warnand

Donald Tusk nach seiner Wahl zum EU-Ratspräsidenten. Foto: Julien Warnand

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Der liberalkonservative Tusk wird nach Brüssel wechseln und vom Dezember an die Treffen der Staats- und Regierungschefs leiten, beschloss der EU-Sondergipfel in Brüssel. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini (41) soll neue EU-Außenbeauftragte werden.

Polen und die baltischen Staaten fahren in der Ukraine-Krise einen harten Kurs gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie fordern eine massive Verlegung von Nato-Truppen in ihre Region, die zu Zeiten des Kalten Krieges unter Kontrolle Moskaus stand.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von "großer Übereinstimmung" bei den beiden Toppersonalien, die zuvor lange umstritten waren. Sie begrüßte die Ernennung Tusks, der als ihr Vertrauter gilt. Er sei ein "leidenschaftlicher, überzeugter und überzeugender Europäer", sagte sie am Samstag am Rande des Spitzentreffens.

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski begrüßte in Warschau einen "gigantischen Erfolg" für sein Land. "Das bedeutet nicht nur eine ungeheure Anerkennung für die Position Polens, sondern auch eine Vergrößerung der polnischen Möglichkeiten."

Als seine vordringliche Aufgabe sieht der seit 2007 in Polen regierende Tusk eine gemeinsame EU-Linie in der Ukraine-Krise an. Das bleibt eine äußerst schwierige Aufgabe, denn es gibt deutliche Meinungsunterschiede unter den Mitgliedstaaten.

Während die einstige Sowjetrepublik Litauen Waffenlieferungen in die Ukraine fordert, lehnt Merkel eine solche Hilfe für das Krisenland explizit ab. Die EU will zudem ihre Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verschärfen. Auch dies dürfte zu neuem Streit führen, denn es drohen erhebliche Rückwirkungen auf die europäische Wirtschaft.

Der Gipfel beschloss, innerhalb einer Woche über weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu entscheiden. "Jedem ist völlig klar, dass wir rasch handeln müssen", sagte Van Rompuy.

Die EU hat bereits Wirtschaftssanktionen verhängt. Ende Juli erschwerte sie unter anderem den Zugang russischer Banken zu den EU-Finanzmärkten und untersagte bestimmte Hochtechnologie-Exporte. Die Bereiche der bisherigen Sanktionen sollen unverändert bleiben. Kanzlerin Merkel nannte Finanz-Sanktionen ebenso wie den Energiesektor.

Der Westen wirft Russland vor, reguläre Truppen in die Ukraine geschickt zu haben. "Es ist völlig unakzeptabel, dass sich russische Soldaten auf ukrainischem Boden befinden", meinte der britische Premier David Cameron.

Tusk ist in seinem neuen Amt für die inhaltliche Vorbereitung und die Leitung der EU-Gipfel zuständig - dabei kommt es vor allem darauf an, Kompromisse zwischen den 28 EU-Chefs zu schmieden. Das Mandat läuft über zweieinhalb Jahre und kann verlängert werden. Der Pole wird auch die Gipfeltreffen der Eurozone leiten, obwohl sein Land bisher die Gemeinschaftswährung nicht einführte.

Tusk nimmt sich explizit vor, Großbritannien in der EU zu halten. "Die Zukunft besteht nicht darin, sie kleiner zu machen." Cameron hatte sich schon vor dem Gipfel für Tusk ausgesprochen. Der Premier will die Briten 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen lassen.

Vor sechs Wochen war ein erster Versuch, sich auf die Besetzung der beiden Jobs zu einigen, noch gescheitert. Die Sozialdemokratin Mogherini wurde als unerfahren kritisiert, da sie erst seit Februar in Rom amtiert. Osteuropäische Politiker halten sie zudem für zu russlandfreundlich. Bei Tusk waren zunächst fehlende Englischkenntnisse eine große Hürde. "Ich werde mein Englisch aufpolieren", versprach er.

Mit dem Gipfelbeschluss nimmt auch die neue Kommission des konservativen Luxemburgers Jean-Claude Juncker (59) Konturen an. Mogherini löst zum 1. November die bisherige "Chefdiplomatin" Catherine Ashton ab. Die Italienerin wird auch Junckers Stellvertreterin in der Kommission. Sie muss allerdings - im Rahmen einer Abstimmung über die gesamte neue Kommission - noch vom EU-Parlament bestätigt werden.

Die Besetzung der anderen Posten in der Kommission ist noch offen. Das Europaparlament bemängelt, dass die Hauptstädte nicht genügend Frauen in das Spitzengremium entsenden wollen und droht, notfalls die neue Kommission zu blockieren.

Der Spanier Luis de Guindos (54) soll nach dem Willen Deutschlands und anderer Euroländer neuer Chef der Eurogruppe werden. "Mit Blick auf die Zukunft nach Mitte 2015 stelle ich fest, dass Kanzlerin Frau Merkel Herrn De Guindos als geeignet für diesen Posten ansieht. Und ich bin informiert worden, dass andere Eurozonenländer ebenfalls dieser Ansicht sind", so Ratschef Herman Van Rompuy. Das Mandat von Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem läuft Mitte kommenden Jahres aus.

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