Merkel ermahnt Defizitsünder Paris: Glaubwürdig bleiben

Berlin · Belastungsprobe für das deutsch-französische Verhältnis: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Dauer-Defizitsünder Frankreich zur Einhaltung des gemeinsamen Sparkurses ermahnt.

 Angela Merkel empfängt Frankreichs Premierminister Manuel Valls vor dem Bundeskanzleramt. Foto: Wolfgang Kumm

Angela Merkel empfängt Frankreichs Premierminister Manuel Valls vor dem Bundeskanzleramt. Foto: Wolfgang Kumm

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Davon hänge auch die dauerhafte Gesundung der Euro-Zone ab. "Mir geht es darum, dass Europa glaubwürdig ist. Das heißt, dass wir uns an das halten, was wir miteinander vereinbart haben", sagte Merkel nach einem Treffen mit dem französischen Premierminister Manuel Valls in Berlin. Frankreich wird auch 2015 und 2016 die EU-Defizitgrenze von drei Prozent verfehlen.

Auf ein drohendes Defizitverfahren mit möglichen Milliarden-Strafen gegen Paris wollte Merkel nicht näher eingehen. Es sei jetzt Sache der EU-Kommission, die Lage Frankreichs zu prüfen.

In der Krise wollen Paris und andere Mitgliedsländer vorhandene Spielräume im EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt möglichst weit auslegen. Dazu sagte Merkel am Montag, der Pakt sei bereits verfeinert worden und enthalte auch "Flexibilitäten".

Valls versicherte, die französische Regierung werde liefern: "Frankreich wird auf jeden Fall seiner Verantwortung gerecht werden." Der neue Premier verwies bei seinem offiziellen Antrittsbesuch in Berlin auf die bereits beschlossenen Strukturreformen, "um unser Land wieder auf die Schienen zu setzen". Seine gerade umgebildete sozialistische Regierung will in den nächsten drei Jahren insgesamt 50 Milliarden Euro einsparen.

Allerdings braucht Paris weitere zwei Jahre, bis das Haushaltsdefizit wieder unter die EU-Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sinkt. Brüssel hatte der Pariser Regierung bereits zwei Jahre mehr Zeit gegeben, um dieses Ziel zu erreichen.

Merkel sprach nun zwar von einer "beeindruckenden Summe von Anstrengungen", ließ aber erkennen, dass sie die schleppende Umsetzung der Pariser Reformagenda nicht zufriedenstellt. Frankreich sei in einer "spannenden Phase".

Das dürfte keineswegs nachsichtig gemeint sein - denn Europa verliert zunehmend die Geduld mit der zweitgrößten Volkswirtschaft und ihrem Präsidenten François Hollande. Frankreich wird als schlechtes Vorbild für andere EU-Krisenstaaten gesehen.

So sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul "Spiegel Online": "Es ist unverfroren, zu sagen: 'Mehr sparen geht nicht'. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Griechen oder Portugiesen, die Rentenkürzungen hinnehmen mussten."

Valls erklärte, er könne die Zweifel und Sorgen der Deutschen verstehen. Negativschlagzeilen würden aber keiner Seite helfen: "Frankreich ist nicht das kranke Kind Europas", betonte Valls selbstbewusst. Sein Land brauche auch das Vertrauen des Nachbarn und wichtigsten Verbündeten.

Im Vorfeld seines Deutschland-Besuchs hatte der französische Premier aber schon deutlich gemacht, dass er zu weiteren Kürzungen nicht bereit ist, um das Defizit in den Griff zu bekommen. "Ich werde mich nicht bei der Kanzlerin entschuldigen, dass wir schon wieder das Drei-Prozent-Defizit-Ziel nicht erreichen werden", so Valls, der am Dienstag mit Vertreten der deutschen Industrie in Berlin zusammenkommen wird.

Von der Kanzlerin forderte er erneut, nicht nur zu sparen, sondern mehr in Europa zu investieren. Der neue EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker plant dazu ein Investitionspaket von 300 Milliarden Euro, dessen Finanzierung offen ist. Einen Zugriff auf nicht genutzte Gelder aus dem Euro-Rettungsfonds ESM lehnt Berlin ab.

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