Merkel: Weit entfernt von Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau

Berlin/Donezk · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht angesichts der Entwicklungen in der Ukraine derzeit keine Möglichkeiten für eine Abschwächung der Sanktionen gegen Russland.

 Kanzlerin Merkel und Finnlands Ministerpräsident Stubb in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka

Kanzlerin Merkel und Finnlands Ministerpräsident Stubb in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka

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"Wir sind davon leider sehr weit entfernt", sagte Merkel am Montag nach einem Treffen mit dem finnischen Ministerpräsident Alexander Stubb in Berlin. Die Lage in der Ostukraine sei "alles andere als zufriedenstellend". Notwendig seien hier ein Waffenstillstand sowie von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwachte freie Wahlen in Abstimmung mit der Ukraine. Zudem müsse sichergestellt werden, dass Moskau keine Besitzansprüche mehr stelle.

Wegen des Todes Tausender Menschen in der Ostukraine leitete Russland ein Strafverfahren wegen "Völkermords" an den russischsprachigen Bewohnern des Konfliktgebiets ein. Ukrainische Politiker und Militärvertreter hätten seit April Befehle zur "vollständigen Beseitigung der russischsprachigen Bürger" in den Gebieten Donezk und Lugansk gegeben, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde in Moskau, Wladimir Markin, am Montag. Gegen wen konkret ermittelt werde, sagte er nicht.

Markin sprach von mindestens 2500 Toten sowie mehr als 500 zerstörten Häusern. Nach UN-Schätzungen kamen seit Ausbruch des Konflikts im April mehr als 3500 Menschen ums Leben. Militär und Separatisten machen sich gegenseitig für den Tod von Zivilisten verantwortlich.

Im Krisengebiet lieferten sich Regierungstruppen und prorussische Separatisten die blutigsten Kämpfe seit Beginn der Waffenruhe vor mehr als drei Wochen. Die Armee habe zwei Angriffe der Aufständischen auf den Flughafen von Donezk abgewehrt, sagte Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko in Kiew. Innerhalb von 24 Stunden seien 9 Soldaten ums Leben gekommen und etwa 30 verletzt worden. Die Separatisten sprachen von fünf toten Kämpfern in den eigenen Reihen. Die Stadtverwaltung von Donezk berichtete von drei getöteten Zivilisten.

Die Regierungstruppen und die Aufständischen hatten am 5. September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Waffenruhe vereinbart. Die Feuerpause gilt als brüchig.

Aber auch andere Teile der Ostukraine kamen nicht zur Ruhe. In der von Kiew kontrollierten Stadt Charkow stürzten Ultranationalisten ein Lenin-Denkmal. Sie wollten damit zeigen, dass prorussische Kräfte und eine Bevormundung durch Moskau in Charkow unerwünscht sind.

Mit Berichten über rund 400 im Konfliktgebiet gefundene Leichen machten die Separatisten Druck auf die Führung in Kiew. Die Gräber befänden sich in Gebieten, die zuvor von der ukrainischen Armee kontrolliert worden seien, sagte Separatistenführer Andrej Purgin der Agentur Interfax. Bei den meisten Toten handle es sich um Zivilisten, viele seien derartig zugerichtet, dass sie nicht einfach identifiziert werden könnten, sagte Purgin.

Eine unabhängige Bestätigung der Zahl gab es zunächst nicht. Die Führung in Kiew bezeichnete die Darstellung der moskautreuen Separatisten als Propaganda, mit der das ukrainische Militär nach dem Rückzug in schlechtes Licht gerückt werden solle. Die Aufständischen hatten bereits in den vergangenen Tagen von "Massengräbern" berichtet, die Zahl der Toten war aber unklar. In Russland lösten die Nachrichten große Besorgnis aus: Politiker sprachen von "Kriegsverbrechen" und forderten eine internationale Untersuchung.

Trotz knapper Staatskassen und einer durch den Bürgerkrieg ausgelösten Wirtschaftskrise will die Ukraine ihr Militär massiv aufrüsten. Die Ausgaben für Verteidigung sollten bis 2020 auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verfünffacht werden, kündigte Präsidialamtschef Dmitri Schimkiw örtlichen Medien zufolge an. Bislang beträgt der Verteidigungshaushalt nach offiziellen Angaben umgerechnet etwa 900 Millionen Euro.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bedankte sich in einem Telefonat bei Merkel für die humanitäre Hilfe der Bundesregierung im Krisengebiet Ostukraine. Berlin hatte Kiew Kreditgarantien von 500 Millionen Euro für Aufbauprojekte sowie 25 Millionen Euro für winterfeste Flüchtlingsunterkünfte zugesagt. Poroschenko informierte Merkel nach Angaben der Präsidialverwaltung in Kiew über Gespräche zwischen ukrainischen und deutschen Vertretern zur Verteilung der Hilfe.

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