Kanzleramt zieht Steuerung der Flüchtlingskrise an sich

Berlin · Die Regierungszentrale von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zieht die Koordinierung der Flüchtlingspolitik an sich. Das Bundeskabinett beschloss ein Konzept, wonach Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) die politische Steuerung dieser Fragen übernimmt.

 Peter Altmaier ist der Mann der Stunde. Foto: Lukas Schulze/Archiv

Peter Altmaier ist der Mann der Stunde. Foto: Lukas Schulze/Archiv

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Die "operative Koordinierung" bleibt beim Innenressort. Die Opposition wertete das als überfälligen Schritt - und als schwere Klatsche für Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Ressortchef selbst mühte sich, diesem Eindruck entgegenzutreten und sagte der Deutschen Presse-Agentur, der strukturelle Umbau sei ein wichtiger Schritt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Nach dem neuen Konzept soll Altmaier als Gesamtkoordinator die auf verschiedene Ministerien verteilten Aufgaben bündeln und besser als bisher aufeinander abstimmen. Sein ständiger Vertreter wird der im Kanzleramt für die Bund-Länder-Koordinierung zuständige Staatsminister Helge Braun (CDU). Zur Unterstützung soll in der Regierungszentrale außerdem eine eigene Stabsstelle zur Flüchtlingspolitik eingerichtet werden. Bis auf weiteres will das Bundeskabinett die Flüchtlingslage in jeder Sitzung als ständigen Tagesordnungspunkt behandeln.

Linke und Grüne beklagten, der Schritt komme viel zu spät: Merkel hätte die Flüchtlingsfrage schon vor Monaten zur Chefsache machen müssen. Sie werteten die Entscheidung als Ohrfeige für de Maizière, der mit der Herausforderung nicht fertig geworden sei.

Der Innenminister trat solchen Einschätzungen entgegen. "Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss haben wir einen weiteren wichtigen Schritt gemacht, um den großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der großen Zahl von Flüchtlingen auch organisatorisch gerecht zu werden", sagte er der dpa in Berlin. Zentral sei die Bündelung der operativen Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ressorts im Innenministerium. Dies sei auf seinen Vorschlag hin erfolgt. Er sei überzeugt, "dass das klare Bekenntnis der anderen Häuser, sich in dem von uns geleiteten Stab einzubringen", dazu beitragen werde, die Prozesse effektiver zu machen.

Auch Regierungskreise mühten sich, den Eindruck zu zerstreuen, der Schritt bedeute eine Degradierung von de Maizière. Es gehe nicht darum, den Minister zu schwächen, sondern darum, dessen Ressort zu entlasten. In einem Brief Altmaiers an alle Bundesminister heißt es, mit dem Konzept sollten vor allem auch die Ressourcen der Ressorts bei der Bewältigung der Flüchtlingslage besser genutzt werden.

Der im Innenministerium angesiedelte Lenkungsausschuss zur Flüchtlingskrise soll weiterhin von Innen-Staatssekretärin Emily Haber geleitet werden. Auch hier soll künftig aber unter anderem Braun ständiger Vertreter sein.

Die Ministerien im Lenkungsausschuss bekommen verschiedene Zuständigkeiten. So soll sich das Innenressort federführend unter anderem um die Flüchtlingsaufnahme, die Asylverfahren, die Verteilung der Flüchtlinge und deren Integration in die Gesellschaft kümmern. Das Finanzressort ist hauptverantwortlich für die Geldfragen bei der Flüchtlingshilfe, das Verteidigungsressort für die Unterbringung und Organisation der Liegenschaften, das Arbeitsministerium für die Integration in den Arbeitsmarkt. Außenamt und Entwicklungsministerium teilen sich die Zuständigkeiten für die internationale Bekämpfung der Migrations- und Fluchtursachen.

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