Hongkongs Demonstranten drohen mit Ausweitung der Proteste

Hongkong · Bei den Protesten in Hongkong droht eine Eskalation. Ultimativ forderten die Studenten bis Donnerstag einen Rücktritt von Regierungschef Leung Chun-ying und eine Rücknahme der Pläne für nur begrenzte Wahlen.

 Polizisten und Demonstranten geraten vor dem Regierungsgebäude in Hongkong aneinander. Foto: Jerome Favre

Polizisten und Demonstranten geraten vor dem Regierungsgebäude in Hongkong aneinander. Foto: Jerome Favre

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Sonst wollen sie die Demonstrationen ausweiten, zum Streik aufrufen oder Regierungsgebäude besetzen, kündigte die Studentenvereinigung an. Während Tausende den fünften Tag in Folge demonstrierten, steuern beide Seiten weiter auf Kollisionskurs. Regierungschef Leung gibt sich kompromisslos und forderte ein "sofortiges" Ende der Proteste. Peking werde nicht einlenken.

Zum Nationalfeiertag am Mittwoch sollen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion wieder Zehntausende Hongkonger mobilisiert werden. "Wir werden China zum Feiertag ein großes Geschenk machen", sagte ein Aktivist. "Wenn unsere Forderungen bis 2. Oktober nicht erfüllt werden, ... haben wir drei Möglichkeiten", sagte Studentenführer Alex Chow vor der Presse. "Die erste ist, die Proteste in der Stadt auszuweiten. Die zweite, einen Arbeiterstreik zu starten, und die dritte, ein Regierungsgebäude zu besetzen."

Hongkongs Regierungschef Leung hatte zuvor die Forderungen abgelehnt und die Proteste wie Peking als "illegal" verurteilt. Ein Eingreifen scheint aber nicht unmittelbar bevorzustehen: Leung geht davon aus, dass die Occupy-Central-Bewegung "nicht eine Frage von Tagen ist, sondern ziemlich lange Zeit dauern" und das Leben in der asiatischen Wirtschaftsmetropole beeinträchtigen werde. Die Proteste würden Chinas Führung aber nicht dazu bewegen, ihre Wahlreform für die ehemalige britischen Kronkolonie zurückzuziehen, sagte Leung.

Die Proteste richten sich gegen den umstrittenen Beschluss des Volkskongresses in Peking, 2017 in Hongkong zwar erstmals eine direkte Wahl zu erlauben, aber keine freie Nominierung der Kandidaten für das Amt des Regierungschefs. Die Entscheidung im August hatte viele der sieben Millionen Hongkonger verärgert und den Studentenstreik ausgelöst, der in den laufenden Protesten mündete.

Auch am Dienstag demonstrierten wieder Tausende und blockierten Hauptverkehrsadern in Admiralty and Wan Chai am Finanzbezirk in Central auf der Insel Hongkong und in Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon. In der Nacht waren sogar Zehntausende auf den Straßen gewesen. Die Polizeikräfte hielten sich zurück, um Konfrontationen zu vermeiden. Schulen und Kindergärten in betroffenen Stadtteilen waren geschlossen. Die Studenten boykottierten weiter den Unterricht.

Übernächtigte Demonstranten versicherten, nicht abziehen und den Protest "auf unbestimmte Zeit" fortsetzen zu wollen. Ihre Zahl dürfte am Mittwoch schon allein deswegen anschwellen, weil die Hongkonger mit dem Nationalfeiertag und dem Donnerstag zwei Tage frei haben.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird die ehemalige britische Kronkolonie nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Auch genießt die Hafenmetropole Presse- und Meinungsfreiheit. Traditionell demonstrieren die Hongkonger sehr diszipliniert. Der Einsatz von Tränengas gegen friedliche Demonstranten in der Nacht zum Montag trieb sie aber auf die Straßen.

Nach einer Nachrichtensperre in China erwähnten die zentralen Abendnachrichten des Staatsfernsehens erstmals die "illegalen" Proteste. Der Einsatz von Tränengas wurde verteidigt. "Alle Teile der Gesellschaft" in Hongkong lehnten die Demonstrationen ab, hieß es. Mehrere chinesische Aktivisten wurden nach unbestätigten Berichten festgenommen, weil sie zum Teil mit Fotos im Internet ihre Unterstützung für die Hongkonger bekundet hatten.

Chinas Zensur blockte Berichte aus Hongkong und Kommentare in sozialen Medien. Die Zensoren seien dreimal so beschäftigt wie zum heiklen 25. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989, berichteten Experten. Auch der Satellitenempfang des US-Nachrichtensenders CNN in China war am Dienstag immer dann gestört, wenn Berichte über Hongkong kamen. CNN ist ohnehin meist nur in Hotels oder Ausländerwohnungen zu sehen.

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