Ex-Krankenpfleger muss wegen Mordes lebenslang in Haft

Oldenburg · Gestanden hat der frühere Krankenpfleger eine ganze Mordserie - wegen fünf Taten muss er nun eine lebenslange Haftstrafe verbüßen. Doch ihm könnte bald ein zweiter Prozess bevorstehen.

 Der ehemalige Krankenpfleger muss wegen Mordes lebenslänglich ins Gefängnis. Foto: Carmen Jaspersen

Der ehemalige Krankenpfleger muss wegen Mordes lebenslänglich ins Gefängnis. Foto: Carmen Jaspersen

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Das Landgericht im niedersächsischen Oldenburg verurteilte den 38 Jahre alten Niels H. wegen zweifachen Mordes, zweifachen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung an Patienten des Klinikums Delmenhorst. Im Prozess gab er zu, für den Tod von bis zu 30 Patienten verantwortlich zu sein.

"Die Menschen waren Spielfiguren für Sie - in einem Spiel, in dem nur Sie gewinnen und die anderen alles verlieren konnten", sagte Richter Sebastian Bührmann. Er sei fassungslos angesichts der unmenschlichen Taten.

Verurteilen konnten die Richter Niels H. nur wegen der fünf angeklagten Fälle. Doch sollten sich die Angaben des Ex-Pflegers bestätigen, könnte er für eine der größten Mordserien der Nachkriegsgeschichte verantwortlich sein. Die Polizei untersucht mehr als 200 Verdachtsfälle - und zwar nicht nur am Klinikum Delmenhorst, sondern an allen früheren Arbeitsstellen des Mannes.

Nach Bührmanns Ansicht liegt eine besondere Schwere der Schuld vor. Damit ist ausgeschlossen, dass Niels H. nach 15 Jahren vorzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen werden kann.

Der Mann habe den Nervenkitzel gesucht, sagte Bührmann. Außerdem habe er vor Kollegen beweisen wollen, wie gut er Patienten wiederbeleben konnte. Deshalb habe er Patienten eine Überdosis eines Herzmedikaments gespritzt. "Es war purer Zufall, wer überlebte, und wer starb." Bei drei Opfern konnte die Kammer nicht klären, ob sie wegen des Medikaments oder ihres schlechten Gesundheitszustands starben.

Immer wieder sprach der Richter Niels H. in der Urteilsbegründung direkt an. Der Ex-Pfleger wirkte betroffen. Als Bührmann das Strafmaß nannte, sackte der massige Mann sichtbar zusammen. Lange hatte Niels H. im Prozess geschwiegen, dann aber überraschend 90 Taten zugegeben. Bis zu 30 Opfer überlebten seinen Schätzungen nach nicht.

Dafür könnte er sich erneut vor Gericht verantworten müssen, wenn die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat. Sie will in den nächsten Wochen acht Leichen ausgraben und auf Spuren des Medikaments untersuchen lassen. Vier weitere Exhumierungen sind schon genehmigt.

Die Familien der Opfer, die als Nebenkläger vor Gericht auftraten, äußerten sich erleichtert mit dem Ausgang des Prozesses. "Wir sind mit dem Urteil zufrieden", sagte Christian Marbach, dessen Großvater unter den Opfern ist. Eine Nebenklägerin weinte sogar vor Freude. Ob die Verteidigung Revision gegen das Urteil einlegen will, stand noch nicht fest. Sie hatte eine Verurteilung wegen zweifachen Totschlags und dreifacher gefährlicher Körperverletzung gefordert.

Der Vorsitzende Richter entschuldigte sich im Namen der Justiz bei den Nebenklägern für die schleppenden Ermittlungen. Vom konkreten Anfangsverdacht bis zum Prozess seien Jahre vergangen. "Das war nicht richtig, es hätte besser laufen müssen", betonte Bührmann. Das Landgericht hatte Niels H. 2008 wegen versuchten Mordes an einem Patienten zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Damals lagen bereits Hinweise auf weitere Taten vor. Doch die Staatsanwaltschaft ermittelte erst weiter, als Angehörige der Opfer beharrlich Druck machten. Die Staatsanwaltschaft räumt inzwischen selbst Pannen und Verzögerungen ein. Gegen zwei frühere Mitarbeiter besteht der Verdacht der Strafvereitelung im Amt.

Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz bedeutet das Urteil nur den Anfang der Aufarbeitung. "Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen - das waren zu oft in Krankenhäusern und in der Justiz die Devisen", kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Das Problembewusstsein der Mitarbeiter müsse gefördert werden. Außerdem forderte er, die Medikamentenabgabe besser zu kontrollieren und eine Sterbestatistik sowie ein anonymes Meldesystem einzuführen.

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