Debatte über Luftabwehr-Einsatz in der Türkei

Berlin · Angesichts eines möglichen Einsatzes deutscher Luftabwehr-Soldaten an der türkischen Grenze zu Syrien hat die SPD von der schwarz-gelben Bundesregierung Aufklärung gefordert.

 Luftangriff nahe der türkisch-syrischen Grenze: Die deutsche Debatte über einen möglichen Bundeswehr-Einsatz in der Region nimmt Fahrt auf. Foto: Resit Dag/Anadolu Agency

Luftangriff nahe der türkisch-syrischen Grenze: Die deutsche Debatte über einen möglichen Bundeswehr-Einsatz in der Region nimmt Fahrt auf. Foto: Resit Dag/Anadolu Agency

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"Der erste Schritt wäre, dass uns die Regierung mal korrekt und umfassend informiert. Das hat sie bisher nicht getan", monierte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, im Gespräch mit der "Rheinischen Post".

Arnold zeigte sich skeptisch, ob tatsächlich innerhalb der Nato der Bündnisfall gegeben ist. "Ich kann im Augenblick nicht erkennen, dass von Syrien aus eine Gefahr für die Türkei in dem Ausmaß droht, dass sie mit Kampffliegern oder Raketen angegriffen wird." Falls es dort dennoch zum Einsatz des Luftabwehrsystems "Patriot" mit deutschen Soldaten kommen sollte, sei ein Mandat des Bundestags notwendig. Arnold: "Das Bundesverfassungsgericht hat vorgegeben, dass im Zweifel der Bundestag gefragt werden muss."

Die Grünen warnen vor einem Einsatz der Bundeswehr an der türkisch-syrischen Grenze. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sagte der "Berliner Zeitung" (Montag): "Jegliche militärische Operation über dem Hoheitsgebiet von Syrien ohne ein UN-Mandat geht für Deutschland nicht."

Angesichts der wachsenden Bedrohung aus Syrien will die Türkei die Nato laut "Süddeutscher Zeitung" an diesem Montag um Hilfe bitten und zum Schutz ihres Territoriums Flugabwehrraketen vom Typ "Patriot" anfordern. Das Militärbündnis werde der Bitte umgehend entsprechen - Deutschland werde daher in Kürze ein oder zwei "Patriot"-Staffeln der Bundeswehr mit bis zu 170 Soldaten in die Türkei verlegen.

Die Bundesregierung hat sich auf einen solchen Einsatz bereits eingestellt. In Berliner Regierungskreisen hieß es, damit werde auch die bisher besonnene Haltung der Türkei im Syrien-Konflikt anerkannt. Ob ein Bundestagsmandat nötig wird, ist noch unklar. Für den Einsatz käme das Flugabwehrraketengeschwader 1 in Husum infrage. Die türkische Regierung wollte am Wochenende nicht bestätigen, dass eine offizielle Anfrage bei der Nato bevorsteht. Ankara erwarte grundsätzlich Unterstützung der Verbündeten, ohne dass es bereits eine konkrete Entscheidung gebe. Mit der PAC-3-Version von "Patriot" können sowohl Flugzeuge als auch anfliegende Raketen bekämpft werden.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder, warf der Opposition vor, Deutschlands Stellung als verlässlicher Partner in der Nato zu gefährden. "Ich schäme mich für meine Bundestagskollegen", sagte Mißfelder zu "Spiegel Online". "Einem Nato-Partner, der sich bedroht fühlt, den militärischen Schutz zu verweigern, treibt mir die Schamesröte ins Gesicht." Mißfelder sieht Deutschland in der Pflicht, sollte Ankara die Anfrage stellen.

Auch der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, wies Vorwürfe zurück, ein Bundeswehr-Einsatz würde den Konflikt in Syrien zusätzlich verschärfen. "Es ist mir schleierhaft, wie allein der Aufbau einer defensiven Waffenanlage im türkischen Grenzgebiet den Konflikt in Syrien weiter anheizen soll. Hier werden unnötig Gefahrszenarien heraufbeschworen", sagte er zu "Spiegel Online". Allerdings müsse man der Öffentlichkeit genau erklären, warum deutsche Soldaten im Süden der Türkei gebraucht würden.

Der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, forderte, dass Deutschland bei einem Militäreinsatz in der Türkei mitmachen solle. "Das ist aus Bündnissolidarität dringend geboten", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Montag). Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses betonte zugleich, dass der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages bisher nicht festgestellt worden sei. Und selbst dann gebe es für die Bündnispartner "keine Automatik". Auch berge "das Ganze (...) ein enormes Eskalations-Risiko".

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