De Maizière will Flüchtlingskontingente für ganz Europa

Berlin/Istanbul · Angesichts teils dramatischer Zustände für Flüchtlinge in Deutschland verlangt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eine gerechtere Verteilung von Asylbewerbern in Europa.

 Bundesinnenminister Thomas de Maizière verbietet die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in Deutschland. Foto: Paul Zinken/Archiv

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verbietet die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in Deutschland. Foto: Paul Zinken/Archiv

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"Es kann nicht sein, dass vier, fünf Länder die größte Anzahl der Flüchtlinge aufnehmen", sagte er dem Magazin "Der Spiegel". "Das entspricht nicht der erforderlichen gesamteuropäischen Solidarität, die wir hier dringend benötigen."

De Maizière macht sich deswegen dafür stark, Flüchtlingskontingente auf alle EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. "Wenn alle die verabredeten Regeln einhalten, könnten Länder wie Italien, wo überproportional viele Flüchtlinge ankommen, so freiwillig unter der Berücksichtigung der schon erfolgten Aufnahmen und zeitlich befristet entlastet werden."

Voraussetzung sei allerdings, so de Maizière laut "Spiegel" Anfang September in einem Schreiben an EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, dass etwa in Italien "zügig diejenigen Personen erfasst werden, die Anspruch auf internationalen Schutz erheben können, und die Personen, die hierfür nicht infrage kommen, rasch in ihre Herkunfts- oder Ausgangsländer zurückgeführt werden".

In dem Brief an Malmström forderte der Bundesinnenminister nach Informationen des ARD-Magazins "Report Mainz" und des "Spiegels" als "prioritäre Maßnahmen" eine bessere Überwachung der EU-Außengrenzen und Migrationsströme, eine verstärkte Bekämpfung von Schleuserbanden sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Transit- und Herkunftsstaaten.

Die Türkei bereitet sich derweil wegen des Vormarschs der Terrormiliz IS in Syrien auf einen großen Zustrom von Flüchtlingen vor. Allein seit Freitag hätten 70 000 Menschen - vor allem Kurden - Zuflucht im Nachbarland gesucht, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Ankara mit. Hunderttausende könnten in den kommenden Tagen vor den Gefechten rund um die Stadt Ain al-Arab fliehen. Am Freitag hatte die Türkei ihre Grenze geöffnet, nachdem sich aus Angst vor IS-Massakern Tausende Menschen davor versammelt hatten. In der Türkei halten sich nach Regierungsangaben bereits rund 1,3 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf.

Angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen betonte de Maizière, die Aufnahmebereitschaft der Deutschen habe Grenzen. "Wir können nicht alle Armutsprobleme der Welt in unserem Land lösen. Priorität muss grundsätzlich die Verbesserung der Verhältnisse vor Ort sein, um den Betroffenen eine Perspektive in ihrer Heimat zu geben."

Einen anderen Akzent setzte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) - er forderte im "Focus" ein besonders starkes Engagement Deutschlands. "Zurzeit gibt es auf der Welt so viele Flüchtlinge wie seit 50 Jahren nicht mehr, da sind wir in der Pflicht", sagte er dem Magazin. Deutschland gehöre zwar zu den EU-Ländern, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. "Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass andere Länder ganz andere Situationen verkraften müssen: Im Libanon und in Jordanien haben manche Städte und Gemeinden mehr Flüchtlinge aufgenommen, als sie Einwohner haben."

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl erklärte am Sonntag, die Pläne de Maizières seien unrealistisch. "Die Menschen gehen dahin, wo ihre Verwandten sind, und wenn die in Deutschland leben und nicht in Italien, ergibt es auch keinen Sinn, sie dorthin zurückzuschicken", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur dpa.

Für den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) ist ebenfalls die EU gefordert: "Die Bundesregierung muss sich für ein gesamteuropäisches Konzept einsetzen, das humanitäre Lösungen für den stetig wachsenden Zustrom der bei uns Zuflucht suchenden Menschen aufzeigt", sagte er der "Welt am Sonntag".

Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) sagte der Zeitung, das Kanzleramt solle kurzfristig zu einem "nationalen Flüchtlingsgipfel" einladen. Zudem müsse der Bund finanzielle Unterstützung leisten. "Dazu kann auch gehören, verfügbare Liegenschaften, etwa der Bundeswehr, zu angemessenen Konditionen zur Verfügung zu stellen."

Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hält ebenfalls eine nationale Asylkonferenz "zeitnah für dringend geboten", auch um die Kommunikation zwischen den Ländern zu verbessern. Dabei müsse eine gegenseitige Kostenerstattung in den Blick genommen werden.

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