Politik - Der Tod von Petra Kelly und Gert Bastian

Mord oder Selbstmord

Die Hausverwalterin findet ihre Leichen am Abend des 19. Oktober 1992 im ersten Stock des schmucklosen Reihenhauses an der Swinemünder Straße. Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen: Gert Bastian hat mit einem aufgesetzten Schuss seine im Bett liegende Lebensgefährtin Petra Kelly und anschließend sich selbst erschossen.

Keine Kampfspuren, kein Hinweis auf Dritte, kein Abschiedsbrief. Die Bonner Gerichtsmedizin vermutet den 1. Oktober als Todesdatum. Dreieinhalb Wochen lang hat niemand in dem anonymen Bonner Retorten-Stadtteil Neu-Tannenbusch die 44-jährige Galionsfigur der Friedensbewegung und den 69-jährigen General a.D. vermisst. Und politische Freunde waren ohnehin rar, seit sich Petra Kelly dem Rotationsprinzip der Grünen-Fraktion widersetzt und Gert Bastian die Partei verlassen hatte. Dabei verdanken die Grünen ihre Existenz und ihren schnellen Erfolg nicht zuletzt dem prominenten Paar.

Petra Kelly: Tochter einer Deutschen und eines Amerikaners, katholisches Mädcheninternat und US-College, Studium der Politikwissenschaft in Amsterdam, EG-Verwaltungsrätin in Brüssel, Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag. 1970 gründet sie nach dem frühen, qualvollen Tod ihrer geliebten Schwester eine Krebsforschungs-Organisation, 1983 wird sie in den USA "Peace Woman of the Year".

Erscheint ihre Sozialisation linear, ist die seine von radikalen beruflichen und privaten Brüchen gekennzeichnet: Offizier in der Wehrmacht, Karriere in der Bundeswehr, CSU-Mitglied, General, Kommandeur der 12. Panzerdivision, als er aus Protest gegen den NATO-Doppelbeschluss seine vorzeitige Entlassung betreibt und den "Krefelder Appell" initiiert. 1983 zieht er mit den Grünen in den Plenarsaal, überwirft sich mit deren Vorstellungen von Basisdemokratie, tritt aus der Partei aus, bleibt bis 1986 als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag. Der Vater zweier Kinder verlässt die Familie, als aus dem politisch engen Verhältnis zu Petra Kelly auch ein privates wird. Eine Scheidung zieht er nicht in Betracht.

Schon die Liebesbeziehung zwischen der agilen, von missionarischem Eifer getriebenen, bis zur totalen Erschöpfung arbeitenden jungen Frau zu dem wesentlich älteren, stets in ihrem Schatten stehenden, das militärisch-straffe Gehabe nie restlos ablegenden Mann bot Stoff für süffisante Bemerkungen und Gerüchte. Ihr Tod öffnete den Spekulationen Tür und Tor: Was hat die beiden in den Tod getrieben? Hat sie den Tod gewollt?

An ihrem Grab bezichtigt ein Ex-Grüner die Partei der Mitschuld: "Viele von uns haben sich an Petra versündigt. Sie erfuhr nur noch Häme und Heuchelei." Andere erinnern sich an ihren Satz: "Wenn Gert nicht mehr ist, will auch ich nicht mehr sein." Alice Schwarzer hingegen versucht auf 180 Buchseiten den Beweis zu führen, dass zu der Tragödie schlicht und einfach das tradierte Rollenverständnis Bastians führte: "Ich sage, es war Mord."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort