Wissenschaft - Das Kometenfieber geht um

"Halley" schürt Weltuntergangsängste und den Sterngucker-Rummel

Der Komet kommt! Das Ereignis wollen viele feiern, andere bleiben eher skeptisch. In Österreich, wo morbide Grundstimmungen bis heute gern gepflegt werden, sagen Wahrsager den Weltuntergang voraus - und als am 11. Mai 1910 ein leichtes Erdbeben Wien erschüttert, verlassen viele Furchtsame prompt die Stadt.

Der Halleysche Komet in Erdnähe - 1910 eine richtige Sensation! Der Schriftsteller Elias Canetti, der als Fünfjähriger den Kometenrummel erlebte, erinnert sich in seiner Autobiografie: "Noch nie habe ich die Menschen in solcher Aufregung gesehen wie zur Zeit des Kometen." Weil man wenig Genaues über das durchs All rasende Gebilde weiß, lassen Ängste sich trefflich schüren: Es streife mit seinem giftigen Schweif die Erde und bringe Tod und Verderben, lautet eine der apokalyptischen Prognosen. Heute wissen wir, dass Halley 1910 "nur" 22,4 Millionen Kilometer von der Erde entfernt war.

Die andere Variante des 1910 grassierenden Kometenfiebers birgt eher heitere Aspekte. Kometenpillen werden angeboten, die vor dem auf die Erde zurasenden Objekt schützen sollen. Kometenparties werden gefeiert, die Jugend tanzt zu Kometenmusik und veranstaltet Sternguckertreffen, Modeschöpfer kreieren den Kometenlook. Freunde schicken sich Scherzpostkarten mit Kometenmotiv zu, eine Karikatur in der Wiener Kronenzeitung läßt "Mutter Erde" sprechen: "Na Sie! Kommen Se man hier nich so dichte ran, Sie Kometrich!"

Viele Menschen erinnern sich an den britischen Naturwissenschaftler und königlichen Astronomen Edmond Halley (1656-1742), der dem Kometen seinen Namen gab. Nicht, weil er ihn erstmals entdeckt hätte. Halley war nach langjähriger Himmelsbeobachtung überzeugt, dass 1531, 1607 und 1682 gesichtete Schweifsterne in Wahrheit ein und derselbe Komet sind, der im Abstand von 75/76 Jahren auf seiner langgestreckten elliptischen Bahn um die Sonne wiederkehrt. Kühn prophezeite er die Rückkehr des Kometen für 1758. Tatsächlich entdeckte der Hobbyastronom Johann Georg Palitzsch in jenem Jahr das Fleckchen Nebel im Sternbild der Fische - und seither trägt der Reisende am Himmel Halleys Namen.

Inzwischen ist sein Auftritt bis ins Jahr 187 vor Christus nachgewiesen, zuletzt bereiste er den erdnahen Raum 1985/86. Dank moderner Teleskope haben Astronomen das mobile Gemisch aus Eis, Staub und Gestein heute gut im Blick. 1986 rückte ihm die europäische Raumsonde "Giotto" 600 Kilometer nah auf die explosive Pelle und bescherte uns damit beeindruckende Bilder von gigantischen Dampf- und Gasfontänen aus dem Kometenkern.

Seit kurzem steht Halley allerdings im Schatten des mit einem Durchmesser von fast 20 Kilometern doppelt so großen und damit in Sonnennähe viel helleren Kometen Hale-Bopp, der 1995 entdeckt wurde und dessen Besuch im vergangenen Jahr als Jahrhundertereignis gefeiert wurde. Auf Hale-Bopp muss die Menschheit nun bis 4377 warten, doch Halley schaut mit ziemlicher Sicherheit 2061 wieder vorbei.

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