Baustelle auf der A565 Stauforscher Schreckenberg: Komplettsperrung keine Alternative

Bonn · Mit Michael Schreckenberg (56), Stauforscher und Physikprofessor an der Universität Duisburg-Essen, sprach Lisa Inhoffen.

Für die Autofahrer wird die Fahrt über den Tausendfüßler in den kommenden Monaten zur Geduldprobe. Doch auch bei weitaus kleineren Baustellen kommt es in Bonn schnell zu Staus. Woran liegt's?
Michael Schreckenberg: Das hängt vor allem mit dem engmaschigen Verkehrsnetz zusammen. Die Verkehrsdichte liegt knapp unterhalb der Kapazitätsgrenze. Hinzukommt die Lage der Stadt am Fluss, der nur mithilfe von Brücken überquert werden kann. Und weil sie so teuer sind, gibt es nicht viele davon. Auch deswegen kann es bei geringsten Störungen des Verkehrsflusses zu Staus in großen Teilen der Stadt kommen, die sich dann sogar auf die ganze Region auswirken können.

Heißt das, dass das Straßennetz weiter ausgebaut werden müsste?
Schreckenberg: Nein. Viel wichtiger ist, dass man die Straßen auch benutzen kann, und das ist eben oftmals nicht mehr der Fall. Wir haben bundesweit einen hohen Sanierungsbedarf. 20 Prozent der Autobahnstrecken und 41 Prozent der Bundesstraßen müssten eigentlich sofort saniert werden. Doch dafür reicht das Geld nicht. Der Bund gibt für das Straßensanierungsprogramm jährlich acht bis zehn Milliarden Euro aus. Nötig wären aber zwölf bis 15 Milliarden Euro.

Aber jede neue Baustelle verursacht wieder neue Staus...
Schreckenberg: Das stimmt. Das ist der Fluch der guten Tat. Bei manchen Strecken ist es deshalb sinnvoll, die Straße während der Bauzeit komplett zu sperren. Das hat sich bei der Sanierung der A40 im Raum Essen gut bewährt. Es müssen allerdings Alternativrouten zur Verfügung stehen. Das A und O ist zudem, dass die Bürger vorher umfassend informiert werden und sie sich frühzeitig darauf einstellen können.

Wäre eine Komplettsperrung auch für den Tausendfüßler eine Variante gewesen?
Schreckenberg: Nein. Es handelt sich um eine Brücke, die Umleitung wäre zu großräumig ausgefallen. Die Frage ist aber, ob es etwas bringt, alle Fahrspuren offenzuhalten. Die Überholspur ist nur für Fahrzeuge bis zwei Meter Breite zugelassen. Das reicht für viele Autos nicht aus, weil sie heute breiter sind. Faktisch steht dann doch nur eine Spur pro Richtung zur Verfügung. Ich empfehle allen, ihr Fahrzeug nachzumessen.

Was raten Sie den Autofahrern in Bonn und der Region noch?
Schreckenberg: Sie sollten ihre Fahrt genauer planen und überlegen, ob sie überhaupt nötig ist oder es Alternativen dazu gibt. Wir werden uns ohnehin in Zukunft gedanklich viel stärker mit dem Thema Mobilität auseinandersetzen müssen. Autofahren wird so teuer, dass sich viele überlegen werden, ob sie sich überhaupt noch ein Auto leisten wollen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort