Ingrid Sönnert: "Alles wurde, von oben verfügt, aufgelöst"

Stadtarchivarin berichtet über die Gebietsreform 1969 in Meckenheim

Meckenheim. Die kommunale Neuordnung 1969 in der Region war ein umwälzendes Ereignis und ging auch in Meckenheim nicht unbedingt harmonisch vonstatten. Wie es damals war, beschreibt der erste Band einer Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Meckenheim. Mit der Verfasserin, Stadtarchivarin Ingrid Sönnert, sprach Martina Welt.

General Anzeiger: Gibt es viele Zeugnisse aus der Zeit der Gebietsreform?

Ingrid Sönnert: Gott sei Dank war es bei diesem Thema nicht schwierig, entsprechende Unterlagen zu finden. Sehr viele Behörden waren damit befasst. Neben dem Stadtarchiv und den Protokollbüchern war das Archiv des Rhein-Sieg-Kreises eine sehr wichtige Quelle für Schriftstücke.

GA: Was hat sich für die Stadt mit der kommunalen Neuordnung 1969 geändert?

Sönnert: Die vielen kleinen eigenständigen Gemeinden konnten die Infrastruktur nicht mehr gewährleisten. Deshalb sind zunächst die Ämter gegründet worden, die dann für mehrere Gemeinden die Versorgung übernahmen. Trotzdem blieb jede kleine Gemeinde selbstständig, jede hatte einen Gemeinderat, auch wenn sie nur 300 Einwohner zählte, mit eigenem Budget und regelmäßigen Sitzungen. Genau diese Selbstständigkeit mussten die Gemeinden mit der Neuordnung aufgeben, und dagegen haben sie sich natürlich gewehrt.

GA: Wie sah das aus?

Sönnert: Zum Amt Meckenheim gehörten damals noch Adendorf, Fritzdorf und Arzdorf. 1797 hatten die Franzosen Bürgermeistereien gegründet. Obwohl Meckenheim die meisten Einwohner hatte, gehörte es zur Bürgermeisterei Adendorf. Grund war wohl, dass der damalige Bürgermeister Andreas Wachendorf aus Adendorf stammte. Es blieb auch viele Jahre so, obwohl Meckenheim der größte Ort war. Erst 1929 hat Meckenheim die Stadtrechte wieder erhalten, unter dem Titel "Landgemeinde Stadt Meckenheim". 1935 wurde aus dem Amt Adendorf das Amt Meckenheim. Das war den Adendorfern ein Stachel im Fleisch. Der Bürgermeister erklärte 1969: "Wir gehen gemeinsam zur Hölle aber nicht nach Meckenheim." Man fürchtete vor allem, dass Meckenheim zu groß würde. Auch Arzdorf wollte weg. In Fritzdorf wollte zwar der Gemeiderat zur neuen Gemeinde Wachtberg, nicht jedoch die Bevölkerung. Weil es aber nicht unmittelbar an Meckenheim grenzt, wurde Fritzdorf, wie die beiden anderen Gemeinden, schließlich Wachtberger Ortschaft.

GA: Wie war die Stimmung in den heutigen Meckenheimer Ortschaften Ersdorf, Altendorf, Merl und Lüftelberg?

Sönnert: Altendorf und Ersdorf sollten eigentlich zu Rheinbach kommen, dagegen wehrten sich die Bürgermeister. Sie waren der Meinung, dass nur der Anschluss an Meckenheim in Frage komme. Meckenheim war auch für die Ortsbewohner eher das Zentrum als Rheinbach. Lüftelberg war eng mit Flerzheim verbunden, zum Beispiel durch die Schule. Beide sollten an Meckenheim angeschlossen werden, dagegen wehrten sich dann mit Erfolg die Flerzheimer. Merl war mit Meckenheim seit der Gründung der Entwicklungsgesellschaft Meckenheim-Merl, der EMM, 1962 verbunden.

Amtsdirektor Kurt Wendels sagte 1967, dass das Schicksal der Gemeinde Merl klar sei, sie sei als Stadtteil Meckenheims vorgesehen. Das schon 1967 zu sagen, hat die Merler sehr gestört. 1968 versuchten die Gemeinden, Fakten zu schaffen. Sie schlossen Gebietsänderungsverträge ab. Altendorf, Ersdorf und Lüftelberg wünschten sich darin den Anschluss an Meckenheim. Flerzheim hingegen unterschrieb den Vertrag mit Rheinbach.

Merl hat einen solchen Vertrag nie abgeschlossen. Die Merler fühlten sich zu sehr gegängelt, was sie auch per Ratsbeschluss dokumentierten. "Einer Zuordnung zur Großgemeinde Meckenheim durch aufsichtsbehördliche Verfügung wird nur unter Protest zugestimmt", hieß es da. Die Merler hatten durch die EMM-Gründung und die Ausweisung der Baugebiete bereits Einnahmen verzeichnet und zum Teil in die Infrastruktur investiert. Was übrig blieb, verteilte der Merler Bürgermeister Heinz Gottschalk zum Abschied von der Selbstständigkeit in Form von Zehn-Mark-Scheinen an die Merler Bürger.

GA: Wie kam die Konstruktion des neuen Rhein-Sieg-Kreises beiderseits des Rheins bei den Meckenheimern an?

Sönnert: Es war auch in Meckenheim ein ungeliebtes Kind, das da geboren wurde. Sicher sinnvoll, denn die Verwaltungen wurden verschlankt, die Versorgung der Bevölkerung wurde verbessert. Nicht berücksichtigt wurden aber historisch gewachsene Beziehungen und Identitäten. Alles wurde, von oben verfügt, aufgelöst. Der damalige Innenminister Willi Weyer hat ganz klar gesagt, auf historische Beziehungen werde keine Rücksicht genommen.

Zur PersonIngrid Sönnert (55) studierte Geschichte und Völkerkunde an der Universität Münster. Seit dem Jahr 2000 arbeitet sie für die Stadt Meckenheim. Sönnert ist zuständig für den Fachbereich Kultur und betreut das Stadtarchiv. Sie lebt in der Gemeinde Wachtberg.

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