Deutsche-Welle-Intendant: "Wir stärken den Standort Bonn"

Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle, hat das neue Sender-Logo am Schürmannbau enthüllt und in Bonn den Startschuss zur Neuausrichtung des deutschen Auslandssenders gegeben. Am Montag startet das überarbeitete Internetportal www.dw.de. Im Interview spricht Bettermann über die Reform, die Perspektiven und den Standort Bonn.

 Intendant Erik Bettermann baut den Sender um.

Intendant Erik Bettermann baut den Sender um.

Foto: Horst Müller

Die Deutsche Welle startet gerade die umfassendste Reform ihrer Geschichte. Ein Hintergrund ist der Spardruck - 271 Millionen Euro jährlich reichen offensichtlich nicht mehr, den Sender in der alten Form zu finanzieren. Welche Gründe gibt es jenseits der Finanz-Zwänge?

Erik Bettermann: Die Welt hat sich verändert. Das Kommunikationsverhalten hat sich gewandelt. Das Internet als Kommunikationsweg und die Sozialen Medien sind dafür verantwortlich - jeder kann sich die Welt ins Wohnzimmer holen. Da müssen sich internationale Sender - nicht nur wir - verändern. Es gibt heute nichts Globaleres, als die Medienwirtschaft. Wir haben uns daher von der direkten Ausstrahlung des Radios über Kurzwelle verabschiedet. Wir wollen zukünftig multimedial auftreten. Dafür gibt es den englischen Begriff POPE: Produce once, publish everywhere (einmal produzieren, über alle Kanäle verbreiten). Damit sind wir auf dem Weltmarkt stärker präsent, frischer, jünger, einfacher zu nutzen.

Wie sieht die neue Programmstruktur aus?

Bettermann: Wir senden Fernsehen in vier Sprachen - Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Wir werden auf sechs Sendeschienen ein 24-Stunden-Programm bekommen. Ein Beispiel: Für Lateinamerika erweitern wir von zwei auf 20 Stunden Spanisch, dazu kommen vier Stunden auf Deutsch. In der arabischen Welt sind wir mit zehn Stunden Arabisch und 14 Stunden Englisch zu sehen. Im Internet bieten wir vertiefende Information an. Die Kombination aus den verschiedenen Medien, von Aktualität und Hintergrund, stehen im Vordergrund. Außerdem geht es um Bildungsangebote, hier spielt der Radiobeitrag eine besondere Rolle. Diese Beiträge in 26 Sprachen werden in Bonn produziert. Außerdem kooperieren wir mit 4500 Partnerstationen weltweit.

Was wird sich in Bonn und für die rund 2000 festen und freien Mitarbeiter ändern? Wie wird an diesem Standort in Zukunft produziert?

Bettermann: Wir bauen in Bonn Fernsehkapazitäten auf. Bislang war Fernsehen in Berlin angesiedelt, Hörfunk in Bonn. Im Moment bauen wir in Bonn Hörfunkstudios in Fernsehstudios um, schulen Mitarbeiter. Das dient der Bestandssicherung für die Deutsche Welle allgemein und bedeutet ausdrücklich eine Sicherung des Standorts Bonn. Wir stärken den Standort Bonn. Wir werden das Kulturprofil der Deutschen Welle schärfen. Die Verantwortung dafür liegt in Bonn. Von Bonn aus läuft die Marktanalyse und die Koordination mit externen Partnern.

Im Zuge der Reform ist von Stellenkürzungen die Rede - im dreistelligen Bereich. Wo werden diese Stellen gestrichen?

Bettermann: Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Wir geben rund 75 Mitarbeitern die Möglichkeit des vorgezogenen Ruhestands. Insgesamt 213 Stellen von Festangestellten und Freien werden abgebaut, darunter auch die auf unseren zwei Relaisstationen in Portugal und Sri Lanka. Wir bauen aber auch wieder auf, zum Beispiel jetzt für das erweiterte Spanischprogramm.

Am kommenden Montag startet der neue Internet-Auftritt der Deutschen Welle. Was versprechen Sie sich davon?

Bettermann: Unter der neuen Adresse dw.de werden wir weltweit mehr Menschen erreichen. Hier haben sie Zugang zu allen Medienangeboten der DW. Es geht um mehr als Nachrichten, es geht um tiefere Information. Wir bieten Podcasts und Videos, daneben lineare Fernsehbeiträge. Wir haben einen eigenen Kanal auf YouTube, sind mit Twitter und Facebook unterwegs.

Die mangelhafte Internet-Abdeckung ist für einen Auslandssender nicht unproblematisch...

Bettermann: Wir müssen beachten, dass das Internet ein Übertragungsmedium hauptsächlich für die nördliche Hemisphäre ist. In der südlichen Hemisphäre ist außer in Neuseeland, Australien und Südafrika die Internet-Abdeckung sehr schlecht. Afrika ist ein klassischer Radio-Kontinent. Es gibt viele andere Länder, die nicht mit Breitbandtechnologie ausgestattet sind. Darauf haben wir unsere neue Webseite abgestellt. Wir müssen flexibel reagieren, uns stets fragen: Mit welchem Medium erreichen wir unsere jeweilige Zielgruppe am besten? 1953 war die Deutsche Welle die "Stimme der Heimat", heute konzentrieren wir uns mit unserem Auftritt auf die Motivation, etwas über Deutschland zu erfahren. Langsam und deutlich gesprochene Nachrichten für Menschen, die Deutsch lernen, gehören ebenso dazu wie Beiträge, mit denen wir versuchen, das Interesse an der deutschen Kultur zu wecken.

Eine Reform kostet in erster Linie zunächst Geld. Sie müssen aber sparen. Wie geht das?

Bettermann: Seit Jahren haben wir die Diskussion über die Finanzausstattung durch den Bund. Seit 2005 hält sich der Beitrag konstant - ohne Kosten- und Tarifsteigerungen zu berücksichtigen. Wir haben aber durch zusätzliche Mittel, sei es Projektförderung, seien es EU-Mittel, den Haushalt insgesamt hochgefahren. Der Zuschuss des Bundes liegt heute bei 80 bis 85 Prozent unseres Etats. Der Rest sind zusätzliche Einnahmen.

Sie planen eine engere Kooperation mit ARD und ZDF. Was versprechen Sie sich davon?

Bettermann: Für die mediale Visitenkarte in der Welt sollen auch die öffentlich-rechtlichen Inlandssender, sollen Bund und Länder gemeinsam verantwortlich sein. Ich strebe eine engere Zusammenarbeit und eine stärkere Integration von DW, Landesrundfunkanstalten und ZDF an. Das ist ein langer medienpolitischer Prozess. Es geht unter anderem um die lizenzfreie Übernahme von Inhalten und Produktionen. Bund und Länder stehen dem Prozess positiv gegenüber. Die stärkere Integration der Deutschen Welle in die deutsche Medienlandschaft ist auch ein Teil der finanziellen Perspektive des Senders.

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