Kommentar zum Fall Sami A. Zwischen den Welten

Meinung | Berlin · Die Hängepartie geht weiter. Wer will Sami A., jenen in Deutschland als Gefährder eingestuften, mutmaßlichen früheren Leibwächter des getöteten Terroristenchefs Osama bin Laden? Die Wahrheit ist: niemand.

 Der getötete Al-Kaida-Chef Osama bin Laden.

Der getötete Al-Kaida-Chef Osama bin Laden.

Foto: dpa

Der Fall des Sami A. hängt nun irgendwo zwischen den Welten – zwischen Ausländerbehörde Bochum, Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundesinnenministerium, Regierung in Tunis, tunesischer Anti-Terror-Behörde und tunesischer Justiz. Also kümmern sich sieben Behörden und zwei nationale Regierungen auf zwei Kontinenten um den Fall (oder auch nicht).

Ob das Bamf und im Geleitzug das Bundesinnenministerium mit Horst Seehofer an der Spitze den Kandidaten Sami A. mit gelungener Trickserei am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vorbei hat abschieben lassen, ist eine Sache, die noch geklärt werden muss. Auch wenn im Fall des Sami A. ein breites Publikum verständnislos mit dem Kopf schütteln dürfte, ist ein Wesen des Rechtsstaates, dass auch dessen Gegner seine Vorzüge in Anspruch nehmen dürfen: ihr Recht auf Recht. In diesem Fall sah das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Gefahr von Folter für Sami A. in seinem Heimatland. Seine Abschiebung nach Tunesien sei deshalb „grob rechtswidrig“.

Doch Auslieferung ist nicht gleich Auslieferung. Wo die Richter in Gelsenkirchen ein Problem sahen, urteilte das Verwaltungsgericht Aachen im Fall eines anderen islamistischen Terrorhelfers, dass dessen Abschiebung erlaubt sei. Einen Eilantrag zum Schutz des Mannes vor Abschiebung lehnten die Richter ab.

Man kann sich vorstellen, wie groß die Begeisterung in einigen Behörden ist, die nun tätig werden müssten, um Sami A. nach Deutschland zurückzuholen, wie von den Verwaltungsrichtern in Gelsenkirchen angeordnet. Kein Gesuch aus Deutschland bedeutet: erst einmal keine Rückholung. Tunesien setzt Sami A. nun wieder auf freien Fuß und spielt den Ball in die deutsche Hälfte, getreu der Devise: Wenn ihr wollt, müsst ihr ihn euch holen! Ansonsten: Sami A. bliebe in Tunesien oder er könnte – und jetzt wird es bunt – nach Deutschland zurückkehren, wenn die deutsche Botschaft in Tunis ihm ein Visum ausstellte. Man kann sich schon jetzt lebhaft die Dauer der Bearbeitungszeit für dieses Visum ausmalen. Weihnachten, Ostern und Pfingsten würden vergehen, und Sami A. wäre noch nicht zurück. Sowohl in Deutschland wie auch in Tunesien wäre manchem Entscheider am liebsten, der Fall würde irgendwie versanden.

Aber so funktioniert der Rechtsstaat nicht. Sollten politische Akteure unter den Vorzeichen des bayerischen Vorwahlkampfes zur Abschiebung gedrängt haben, muss das bereinigt werden. Alles anders wäre Sabotage des Rechtsstaates. Die Erkenntnis ist nicht schön, aber es ist nun einmal so: Demokratie tut manchmal ziemlich weh.

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