Kommentar Zur Zuwanderung - Nägel mit Köpfen

Es tut sich was in der Union, jedenfalls in der CDU. Eine Partei ringt mit sich selbst. Einwanderungsgesetz Ja oder Nein? Was lange nicht sein durfte, ist durch die Realität längst überholt: Deutschland ist ein Einwanderungsland, das weltweit zweitbeliebteste nach den USA.

Nur Teile der politischen Klasse sind noch nicht ganz an dem Punkt, dies anzuerkennen und dazu auch Nägel mit Köpfen zu machen: ein Gesetz eben.

Anfang des Jahres noch hatte CDU-Generalsekretär Peter Tauber für seinen Vorstoß, Einwanderung nach Deutschland in einem eigenen Gesetz zu regeln, Ablehnung durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer aushalten müssen.

De Maizière ließ den Luftballon steigen, es gebe doch bereits ein Einwanderungsgesetz. Man denke nur an das Aufenthaltsgesetz. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ die Debatte erst einmal laufen. Mal sehen, wie das Wasser seinen Weg sich bahnt. Bei der Jubiläumsfeier zu 70 Jahren CDU wurde die Parteichefin in Sachen Zuwanderung schon klarer. "Die CDU spricht darüber nicht so gerne. Aber das lernen wir auch noch!"

Jetzt ist dieser Lernprozess voll im Gange, auch, weil Merkel ahnt, dass Einwanderung ein Thema der Bundestagswahl 2017 werden dürfte. Die bayerische Schwesterpartei CSU sperrt sich noch gegen diesen Anflug von Realitätssinn und Modernismus aus der CDU. Doch auch die CSU wird in dieser Frage, wenn der Wind erst scharf genug weht, ihre Kehrtwende machen, wie man beim lange bekämpften Ausstieg aus der Atomkraft gesehen hat.

Plötzlich ging alles ganz schnell. In der CDU-Spitze jedenfalls gibt es eine klare Tendenz, schon den nächsten Bundesparteitag über ein Einwanderungsgesetz abstimmen zu lassen. Die Debatte wird für die CDU ebenso anstrengend wie kontrovers. Aber es ist besser, sich dem Thema zu stellen, als die Notwendigkeit einer glasklaren Regelung hinter dem Verweis auf bestehende Gesetze zu verschleiern.

Mitunter können Union und ihr Koalitionspartner SPD die Dynamik nutzen und die Frage weiterer sicherer Herkunftsstaaten des Westbalkans gleich mit dem Einwanderungsgesetz verknüpfen. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina bereits zu solchen sicheren Herkunftsländern gemacht.

Albanien, Kosovo und Montenegro könnten folgen. Armut ist in jedem Einzelfall bitter, aber kein Beispiel für politische Verfolgung. Besser ist es, Qualifizierten, aber auch mit Blick auf Mangelberufe wie dem Pflegesektor, einen legalen Weg nach Deutschland zu zeigen. Nicht alle können kommen, das stimmt. Aber die demografische Entwicklung in Deutschland macht eine geordnete Zuwanderung einfach notwendig. Ein Einwanderungsgesetz muss beides können: Qualifizierte gewinnen und Bedürftigen den Weg aus der Asylfalle zeigen.

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