Kommentar Zur Einführung des Mindestlohns: Auftrag vom Wähler

Berlin · Deutschland ist kein Vorreiter. Nicht in diesem Fall, über den CDU, CSU und SPD auf dem Weg zu ihrem Koalitionsvertrag nächtelang verhandelt haben. In 21 von 28 EU-Mitgliedstaaten gilt teilweise seit vielen Jahren ein gesetzlicher Mindestlohn.

Deutschland wird bald der 22. EU-Staat sein, wenn hierzulande ab dem 1. Januar 2015 ein gesetzlicher und flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde eingeführt wird.

Es war ein langer Weg auf holprigem Untergrund, auf dem am Ende die SPD in dieser großen Koalition den Akzent bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gesetzt hat. Für die Sozialdemokraten war er zentrales Wahlkampfthema und gewissermaßen auch Bedingung für den Eintritt in die Koalition. Doch die Hürde vor allem für die CDU war mit den Beschlüssen ihres Leipziger Parteitages von 2011 schon niedriger als noch Jahre zuvor. Bei ihrem Konvent in Leipzig hatten sich die Christdemokraten mit Mehrheit für branchenspezifische Lohnuntergrenzen ausgesprochen, ohne dabei allerdings eine Summe zu nennen, wie hoch diese Untergrenze sein sollte.

Der gesetzliche und flächendeckende Mindestlohn war eines der dicksten Bretter, das die deutsche Politik in den vergangenen Jahren gebohrt hat. Jetzt ist es durch. Für Millionen von Arbeitnehmern in Deutschland wird sich mit der Einführung des Mindestlohnes per Gesetz ihre Lage teilweise deutlich verbessern, vor allem aber wird damit die Willkür beendet, nach der sich Arbeitnehmer in manchen Branchen bislang als Billiglöhner verdingen mussten. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Der Mindestlohn wird in einigen Sparten auch dazu führen, dass einige Tausend Arbeitnehmer ihre Jobs verlieren, weil beispielsweise im Taxigewerbe viele angestellte Fahrer nach der Zahl der beförderten Kunden und der gefahrenen Kilometer bezahlt werden und nicht fest nach Arbeit pro Stunde. Das ist die Kehrseite der Mindestlohn-Medaille.

Ausnahmen sind, wie immer, wenn hart um Kompromisse gerungen wurde, Teil des Handels. So sollen die rund eine Million Langzeitarbeitslosen während der ersten sechs Monate nach Wiederaufnahme einer Tätigkeit nicht in den Genuss des Mindestlohns kommen. Jeder von ihnen wird dies persönlich als ungerecht empfinden. Nachvollziehbar. Tatsächlich aber erhöht genau diese Ausnahme ihre Chance auf dauerhafte Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt, weil sie sich sukzessive wieder an Tempo und Anforderung regelmäßiger Erwerbsarbeit gewöhnen können und schrittweise auch die Produktivität steigt.

Fünf Millionen Menschen in Deutschland arbeiten gegenwärtig für ein Entgelt deutlich unterhalb des künftigen Mindestlohns. Das Aufstocken von Löhnen durch den Staat darf nicht als dauerhaftes Geschäftsmodell durchgehen, weil das Verharren im Niedriglohnbereich schon jetzt den Weg in die Altersarmut vorzeichnet und damit dauerhaft teure Folgekosten auf die gesamte Gesellschaft abgewälzt werden. Dagegen stünde der Mindestlohn. Die große Koalition ist auch dafür gewählt worden. Insofern setzen CDU, CSU und SPD nur den Willen vieler Wähler um. Seine Einführung ist überfällig. Auftrag erfüllt!

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