Kommentar Wladimir Putin: Keine Kniebeuge!

Europas Entspannungspolitiker polieren eine alte Redewendung auf: Es dürfe nicht darum gehen, "Russland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen", erklären der deutsche Vizekanzler, der italienische Ministerpräsident und der deutsche Außenminister.

Der österreichische Bundeskanzler aber toppt alle Allgemeinplätze: "Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen, wenn wir zur russischen Wirtschaft eine neue Mauer aufbauen." Die Rubelkrise hat gerade bei deutschsprachigen Entscheidungsträgern neue Ängste entfacht: Russlands Kollaps bedrohe auch die eigene Wirtschaft. So sei es sinnvoll, die Sanktionen zu lockern. Dabei hat Russland den Rubelsturz fürs Erste überstanden. Die Panik ist vorbei, obwohl die eigentliche Wirtschaftskrise noch bevorsteht. Alexei Kudrin, früherer Finanzminister, prognostiziert für 2015 ein Minuswachstum von zwei bis vier Prozent und eine Inflationsrate von zwölf bis 15 Prozent. Aber Unruhen, die Putins Regime ernsthaft gefährden könnten, hält er für ausgeschlossen. Schon die chaotischen 90er Jahre haben gezeigt, wie geduldig das russische Volk Notlagen aussitzen kann.

Wladimir Putin aber kündigte schon an, die Verteidigungsausgaben nicht einzuschränken und stellte eine neue Militärdoktrin gegenüber der Nato vor. Moskaus politische Elite sieht sich weniger in der Wirtschaftskrise als im Kalten Krieg. Putin unterstellt den "USA und ihren Satelliten", dass sie Russland nicht nur "in die Knie" zwingen, sondern "sein Fell aufhängen" wollten. Russland wehrt sich sehr offensiv gegen die neu entdeckte Gefahr aus dem Westen. Der Kreml sponsert rechtspopulistische Parteien in Europa, installiert in Berlin eine Redaktion seines Propagandasenders Russia Today, russische Kampfjets patrouillieren aggressiv an Westeuropas Rändern.

Das aber sehnt sich nach Entspannung. Viele westliche Beobachter deuten den Krieg in der Ostukraine als emotionalen Fehlgriff der Russen, als Kurzschlussreaktion auf die prowestliche Maidanrevolution in Kiew. Sie glauben, Putins Hauptproblem sei es, aus der Ukraine wieder herauszukommen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren.

Tatsächlich dringt Russland offiziell auf eine Friedenslösung, aber inoffiziell kämpfen Tausende zum Teil hochprofessionelle russische "Freiwillige" mit schweren russischen Waffen. Offiziell beschwört Russland die territoriale Einheit der Ukraine, aber die Verhandlungen scheitern, weil es jede ukrainische Aufsicht seiner Grenze zu den Rebellengebieten ablehnt. So fehlt jeder Anlass, die Sanktionen aufzuheben. Auch wenn 2014 der Warenaustausch zwischen EU und Russland um 4,3 Prozent sinkt, die Eurozone geht deshalb nicht Pleite. EU-Minister, Sozialdemokraten und Konzernchefs sollten sich fragen, wie sie ihre Russlandpolitik gestalten wollen, wenn Moskaus Treiben die Rubelkrise überdauert. Es nach dem Beispiel des von Gazprom eingekauften Exbundeskanzlers Gerhard Schröder ignorieren? Irgendwann könnten sie dann dort landen, wohin sie Putin keinesfalls zwingen wollen: Auf den Knien.

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