Kommentar Terror in Frankreich - Sarkozy als Krisen-Gewinner

Die Opfer von Toulouse sind gerade erst beerdigt - und Spekulationen über die wahlpolitischen Auswirkungen verfrüht. So hüten sich die französischen Präsidentschaftskandidaten davor, auch nur in den Verdacht zu geraten, die grausame Mordserie und die Terror-Gefahr politisch auszuschlachten.

Sie versuchen den Balanceakt, offiziell den Wahlkampf auszusetzen und trotzdem präsent zu bleiben. Wer trauert besser? Die trotzkistische Kandidatin Nathalie Arthaud wirft ihren Konkurrenten vor, diesen eigentümlichen Wettbewerb zu führen. Nicht ganz zu Unrecht.

Dennoch erscheint die neue Zurücknahme wohltuend in einer Kampagne, die zunehmend brutal und geschmacklos ist. Die persönlichen Angriffe und unfairen Sticheleien aller Beteiligten pausieren einen Moment.

Einer hat dabei einen deutlichen Vorteil: Nicolas Sarkozy, der als erster Mann im Staat die legitime Autorität besitzt, an vorderster Front aufzutreten. Er wechselt wieder von der Kandidaten- in die Präsidentenrolle, verwandelt sich vom Wahlkämpfer zurück in einen Staatsmann, der in Zeiten der Terrorgefahr für seine Landsleute da ist. Schlimmstenfalls mache das nichts, sagen Anhänger hinter vorgehaltener Hand, die erwarten, dass seine Umfragewerte anziehen.

Ausgerechnet die dramatischen Vorfälle könnten die Dynamik entfachen, die ihm seit Beginn der Kampagne trotz eines Feuerwerks an Vorschlägen einfach nicht gelingen mag. Die wenigen Vorzüge, die Sarkozy gegenüber seinem schärfsten Rivalen François Hollande noch eingeräumt werden, kommen nun zur Geltung: seine internationale Erfahrung, seine Härte gegenüber radikalen Islamisten, die Entscheidungsstärke in Konflikten.

Auch könnten erschütterte Wähler unter dem Eindruck der Tragödie in Toulouse ihre Stimme dem Amtsinhaber als sicherem Wert geben. "Sie müssen mich nicht mögen, mir nur vertrauen", sagte Sarkozy oft - das könnte jetzt eintreten. Und mag seine Bilanz der letzten fünf Jahre in Sachen innere Sicherheit auch schwach sein - sie gilt dennoch als sein Paradegebiet. Auch seine Rechtsdrehung im Wahlkampf, um die starke Marine Le Pen vom Front National abzudrängen, wird ihm nun nicht schaden, da sich ein algerischstämmiger Islamist als Täter von Toulouse herausstellt.

Hollande hingegen treffen die Ereignisse an seinen Schwachstellen: Ihm wird mangelnde präsidiale Statur vorgeworfen und zu wenig Erfahrung im Krisenmanagement.

Immer wieder hat Sarkozy Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Vorbild gelobt - eigentlich hinsichtlich seiner Reformpolitik. Nun könnte er Schröder, der sich bei der Flut an Elbe und Donau 2002 kurz vor der Bundestagswahl als "Macher" präsentierte, noch in anderer Weise nacheifern - als Krisen-Gewinner, der eben zur rechten Zeit am rechten Ort ist.

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