Kommentar TTIP - Mehr Transparenz

Die Verfechter des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP drohen den Kampf zu verlieren - den Kampf um die öffentliche Meinung.

Zu sehr haben Wirtschaft, Ökonomen und Pro-TTIP-Politiker darauf vertraut, dass die Vorzüge eines Freihandelsabkommens für sich selbst sprechen würden: Ein gemeinsamer Markt von 800 Millionen Menschen, ein Wachstumsschub von geschätzt 120 Milliarden Euro auf beiden Seiten des Atlantiks, mehr Jobs, mehr Wohlstand. Unterschätzt haben die TTIP-Freunde zweierlei: Die Dimension des Widerstands und die Professionalität der Organisationen, die diesen Widerstand in eine globalisierungsmüde und kapitalismuskritische Öffentlichkeit tragen.

Alleine in der internationalen Dachorganisation "Stop TTIP" versammeln sich über 360 Gruppen. Über 100 davon kommen aus Deutschland, von der Deutschen Umweltstiftung bis zum Verein zur Unterstützung der nordamerikanischen Indianer. Dazu gesellt sich eine unüberschaubare Zahl von regionalen und lokalen Initiativen, zum Beispiel das Bonner Bündnis gegen TTIP.

Gekonnt bringen die Gegner ihre Argumente unters Volk - auch, indem sie Ängste schüren. Das vielzitierte Chlorhühnchen ist das inoffizielle Wappentier der Bewegung. Viele andere Argumente sind gleichfalls angstbesetzt: vom vermuteten Abbau sozialer Standards über die Einführung des Gas-Frackings durch die Hintertür bis zur befürchteten Planierung der deutschen (Subventions-)Kulturlandschaft.

Die TTIP-Unterstützer haben außer Wohlstandsversprechen für die Zukunft und die wenig publikumswirksame Vereinheitlichung von Normen für Blinker oder Bremsanlagen wenig dagegen zu setzen. Dazu kommt die Art der Verhandlungen: Gesichtslose Experten beraten hinter verschlossenen Türen über Themen, die das Leben von 800 Millionen Menschen beeinflussen können. Dass diese Form der Gesprächsführung Misstrauen schürt, muss niemanden wundern.

Gleiches gilt für die Art und Weise, wie innerhalb des Abkommens Konflikte gelöst werden sollen: an staatlich legitimierten Gerichten vorbei durch private Schiedsstellen, deren Entscheidungen aber für die Steuerzahler erhebliche Folgen haben können.

Dass eine transatlantische Freihandelszone gerade in Deutschland mit seiner starken Exportwirtschaft Wachstumsimpulse setzen kann, liegt auf der Hand. Die Bürger aller beteiligten Länder haben aber Anspruch darauf zu erfahren, was da in ihrem Namen verhandelt wird. Demokratische Entscheidungen und Institutionen darf das Abkommen nicht unterlaufen.

Wenn der Freihandel von den Bürgern als reine Klüngelveranstaltung der Großkonzerne wahrgenommen wird, droht TTIP zu scheitern. Für Europa wäre das fatal: Die USA, die sowieso mit mindestens einem Auge Richtung Asien schielen, finden im pazifischen Raum leicht Partner für eine bevorzugte Zusammenarbeit.

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