Kommentar Türkei, USA und Islamischer Staat - Kollisionskurs

Nach langem Zögern will die Türkei nun bald gemeinsam mit den USA gegen den Islamischen Staat in Syrien vorgehen. Kampfflugzeuge beider Länder werden nach dem Plan von türkischen Stützpunkten aus die Positionen des IS im Norden Syriens und möglicherweise auch im Irak angreifen.

Einen ersten Luftschlag einer US-Kampfdrohne gegen das Hauptquartier der Dschihadisten in Raqqa, 80 Kilometer südlich der türkischen Grenze, hat es bereits gegeben. Doch die neue Zusammenarbeit ist alles andere als problemfrei - die türkischen Interessen kollidieren mit denen der USA.

Grundsätzlich ordnet Washington in Syrien alles dem Kampf gegen den IS unter. Für die Türkei sind die Dschihadisten dagegen nur eines der Probleme, und nicht das dringendste. Ankara argumentiert, das Hauptziel des westlichen Engagements müsse das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sein, weil es die Wurzel allen Übels sei. Vom Kampf gegen Assad wollen die Amerikaner aber nichts wissen.

Wie diese grundlegend verschiedenen Interessen bei der angekündigten Großoffensive gegen den IS unter einen Hut gebracht werden sollen, weiß niemand. US-Kampfjets helfen den syrischen Kurden gegen den IS, obwohl die Kurden von der Türkei als Verbündete der türkisch-kurdischen PKK abgelehnt werden. Während die US-Regierung zwischen der syrischen Kurdenpartei PYD und der PKK unterscheidet, weist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine solche Differenzierung zurück. Aus seiner Sicht helfen die USA kurdischen Separatisten, die gegen die Türkei arbeiten.

Weil sich die USA auf keinen Fall tiefer in den Syrien-Konflikt hineinziehen lassen wollen, stehen sie zudem der türkischen Idee einer Sicherheitszone in Nord-Syrien sehr skeptisch gegenüber. Ankara will mit Hilfe dieser Zone die Vereinigung aller kurdischen Siedlungsgebiete jenseits der Grenze verhindern, doch Washington winkt ab.

Derzeit versuchen die beiden Verbündeten, diese Gegensätze in Gesprächen zu überwinden. Was geschieht, wenn ein US-Kampfjet in der Türkei startet, um einer bedrängten PYD-Einheit gegen einen Angriff des IS zu helfen? Muss Washington dann in Ankara vorher um Erlaubnis fragen? Und was ist, wenn Ankara Nein sagt? Ein entschlossener gemeinsamer Kampf gegen die Bedrohung des IS sieht anders aus. Die unterschiedlichen Interessen von USA und Türkei sind nicht das einzige Problem. Syriens Partner Iran und Russland betrachten den Plan für eine großflächige Offensive gegen den IS nicht als Vorgehen gegen eine Gruppe, die für die Region eine Gefahr darstellt. Sie sehen den möglichen Beginn eines westlichen Engagements mit dem Ziel der Einflussnahme auf die Zukunft Syriens. Das aber will der Iran auf keinen Fall hinnehmen. Der geplante Angriff auf den IS macht den Syrien-Konflikt nicht einfacher.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen Bedrohung Die Lage ist ernst
Euphorie im Anflug
DFB-Team überzeugt gegen Frankreich Euphorie im Anflug
Zum Thema
Kosten über Sicherheit
Kommentar zum Einsturz der Brücke in Baltimore Kosten über Sicherheit
DFB-Team mit neuem Spirit
Kommentar zur Fußball-Nationalmannschaft DFB-Team mit neuem Spirit
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Aus dem Ressort