Kommentar Skandal bei Volkswagen: Nur ein Anfang

Volkswagen ist eines der größten Aushängeschilder des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Die internationale Strahlkraft des Konzerns ist eng verbunden mit dem Aufstieg der Deutschland AG nach dem zweiten Weltkrieg.

Insofern zieht ein VW-Skandal immer auch das Image des Standortes in Mitleidenschaft. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sich Volkswagen ein klares Konzept verordnet, wie es mit der Krise nach dem Bekanntwerden der Manipulation von Abgaswerten umgehen will. Der Rücktritt von Vorstandschef Martin Winterkorn ist dabei nur ein Element. Der Schritt war notwendig, ist aber noch lange nicht hinreichend, um an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Für das Präsidium des Aufsichtsrates von Volkswagen musste es gestern um die Schadensbegrenzung gehen. Wie der Aufsichtsrat vorgehen will, ist noch nicht erkennbar. Selbst Strafanzeige zu stellen und einen Sonderausschuss einzusetzen, kann nur ein Anfang sein.

Die Investmentbank JPMorgan rechnet schlimmstenfalls mit einer finanziellen Bürde von 40 Milliarden Euro an Strafen, Kosten von Rückruf-Aktionen und Schadenersatz-Forderungen, die VW schultern muss. Angesichts der Tatsache, dass der gesamte VW-Konzern nach dem Kurseinbruch gerade noch rund 53 Milliarden Euro an der Börse wert ist,wird der Umfang des Schadens zu Notoperationen beim Konzern führen müssen.Es geht dabei auch um die Organisation des Konzerns, dessen schiere Größe ihn anfällig für einen Kontrollverlust macht. Im Konzern herrscht zudem offenbar ein Leistungsdruck, durch den Manager lieber Gesetze brechen, als bei Zielvereinbarungen zu scheitern. Das Unternehmen hat wohl die US-Behörden mehr als ein Jahr lang angelogen, bevor es den Einsatz der verbotenen Software zugegeben hat.

Der künftige Konzernchef muss sich dringend um die Unternehmenskultur kümmern. Nach drinnen und nach draußen: Bei VW fällt die Kluft zwischen den Beteuerungen von Qualität und Kundenorientierung und der tatsächlichen Handlungsweise der Verantwortlichen natürlich jetzt besonders ins Auge.

Die Autoindustrie steht am Beginn einer neuen Ära: Die digitale Vernetzung wird als Kaufargument immer wichtiger. Die Autobauer erscheinen immer mehr als Softwareschmieden mit angehängtem Motorenbau. Und in dieser neuen Ära werden die Kräfteverhältnisse neu verteilt.Durch die VW-Affäre gibt es einen großen Vertrauensverlust für alle Anbieter und die Zulieferindustrie. Gerade das "grüne" Image leidet enorm. Hier hat die Europäische Union es jetzt in der Hand, die Selbstreinigungskräfte zu fördern. Dort wird ohnehin über ein Gesetz beraten, mit dem ein strengeres Prüfverfahren für Abgaswerte eingeführt würden soll. Das könnte zu einem Rückgewinn an Glaubwürdigkeit beitragen.

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