Kommentar Landtagswahlen - Thüringer Spezialitäten

Das Einfache zuerst: Dietmar Woidke bleibt Ministerpräsident von Brandenburg und wird, wenn sich SPD und Linke in den folgenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen nicht heillos überwerfen, die bislang einzige rot-rote Landesregierung weiterführen.

 CDU-Chefin Angela Merkel grenzt sich scharf von der AfD ab. Foto: Michael Kappeler

CDU-Chefin Angela Merkel grenzt sich scharf von der AfD ab. Foto: Michael Kappeler

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Woidke ist für Brandenburg noch lange kein Landesvater, wie es Manfred Stolpe und später auch Matthias Platzeck war. Kein Amtsbonus also.

Aber Brandenburg ist strukturell SPD-Land. CDU-Herausforderer Michael Schierack hat sich mit einem respektablen Wahlergebnis einer lange zerstrittenen Landes-CDU aufgemacht, in einem längeren Lauf diese Vorherrschaft der SPD in Brandenburg eines Tages zu brechen. Er wird Ausdauer brauchen, aber er muss es versuchen, sonst könnte er nicht Spitzenkandidat einer Volkspartei sein. Die Staatskanzlei in Potsdam muss Schieracks Anspruch sein. Ob es klappt? Ergebnis: offen.

Thüringen wiederum könnte weniger Land einer politischen Sensation, aber doch einer möglichen Neuorientierung werden. Ausgerechnet in Thüringen, das seit mehr als zwei Jahrzehnten fest in CDU-Hand ist, könnte mit Bodo Ramelow 25 Jahre nach der Wende erstmals ein Politiker der Partei Die Linke, vormals PDS, zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gewählt werden.

Ramelow, der im Wahlkampf sein Porträt ohne den Namenszug seiner Partei plakatieren ließ, hat die Chance, Chef der ersten Landesregierung unter Führung der Linken zu werden, wenn, ja wenn, die SPD als Juniorpartner bereit stünde, und wenn, ja wenn, auch die Grünen noch mitmachten.

Ramelow braucht die Grünen. Andererseits fiele es gerade bürgerrechtsbewegten Grünen aus der Erfahrung alter Ostzeiten nicht leicht, mit einstigen Apparatschiks guten Gewissens ein Regierungsbündnis einzugehen. Würde Ramelow aber tatsächlich Ministerpräsident, käme dies gewissermaßen einem Schlussstrich unter die DDR gleich.

Die CDU in Thüringen ist damit aber noch lange nicht aus dem Rennen. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, gleichfalls noch ohne den informellen Status einer Landesmutter, könnte mit der SPD weiter regieren, wenn diese denn wollte.

So wird die SPD als Nummer Drei in Thüringen zum Königsmacher, auch wenn sie mit gut zwölf Prozent vom Selbstverständnis einer Volkspartei weit entfernt ist. Koalitionen mit der AfD hat die CDU ausgeschlossen. Doch der Protest bahnt sich seinen Weg - hin zu den Euroskeptikern, die aber noch beweisen müssen, ob sie zu mehr taugen als zu nur einer Hochsaison nach dem Vorbild der Piraten. Die FDP? Schweres Los. Sie braucht Notbeatmung.

Sollte die thüringische SPD tatsächlich frei nach Landesinteressen entscheiden dürfen, wird sehr interessant, ob sie den Sprung in ein rot-rot-grünes Bündnis wagt. Ob sie an der Seite der Linken in der Wahrnehmung der Wähler am Ende für das Land mehr bewegen kann als in einer schwarz-roten Koalition, ist ein Experiment mit offenem Ausgang. Und Experimente können schiefgehen.

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