Kommentar Kopftuch-Urteil: Überkommene Rechte

Das Kopftuch-Urteil gegen die muslimische Krankenschwester weist in die falsche Richtung. Denn es stärkt die überkommenen Sonderarbeitsrechte der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände.

Für ihre 1,3 Millionen Beschäftigten gilt ein Arbeitsrecht zweiter Klasse. Sie müssen zum Teil mit Kündigung bei Scheidung oder Wiederheirat rechnen oder dürfen nicht streiken, ihre Löhne werden in der Regel nicht tariflich ausgehandelt.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht nur um Pastoren oder andere Verkünder der religiösen Lehre. Der Sonderweg beschneidet auch die Rechte von Arbeitnehmern wie Krankenschwestern oder Verwaltungsangestellten, für deren Arbeit Religion zweitrangig ist. Beim Blutabnehmen wird ein Kopftuch kaum hinderlich sein. Für die vor Gericht unterlegene Muslimin in dem evangelischen Krankenhaus stellt das Urteil dagegen eine starke Einschränkung ihrer Berufs- und Religionsfreiheit dar. In vielen Gegenden - etwa im Rheinland - sind konfessionelle Kliniken so stark vertreten, dass es für Patienten und Arbeitnehmer wenige Alternativen gibt. Dazu kommt: Wie die kirchlichen Kindergärten werden sie fast ausschließlich von Staat oder Krankenkassen und damit von allen Bürgern finanziert. Sie sollten sich daher auch am gesellschaftlichen Konsens orientieren.

Der Staat macht es sich zu einfach, diese Aufgaben an die Kirchen zu delegieren und vor den Folgen die Augen zu verschließen. Er sollte den arbeitsrechtlichen Sonderstatus der Kirchen deutlich einschränken.

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