Klimagipfel von Durban: Aristoteles grüßt

Geht es in eine für Menschen und Ernten freundlich temperierte Zukunft mit moderatem Meeresspiegelanstieg oder in Richtung einer wärmeren, unberechenbaren Welt? Die Staatengemeinschaft hat sich beim 17. UN-Klimagipfel wieder nicht entschieden - und damit doch entschieden. Der Ausstoß von Treibhausgasen wird weiter steigen, womit die Physik eine wärmere Erde produziert.

Die Forscher haben zwar den Emissions-Gipfel für das Jahr 2020 vorausberechnet, um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, aber wer hält eine Vollbremsung der Menschheit oder Null-Emission-Zivilisation ab 2021 für realistisch? Je später die Nationen mit spürbarem Klimaschutz beginnen, desto schmerzhafter werden die Einschnitte, und weil das Schmerzhafte in der Politik, national wie international, das Unwahrscheinliche ist, rückt auch das Zwei-Grad-Ziel zunehmend ins Aussichtslose.

Bereits vor 25 Jahren fragte der Amerikaner Sherwood Rowland, einer der frühen Klimawarner: "Was nützt eine Wissenschaft, die hinlänglich zuverlässige Vorhersagen machen kann, wenn alle nur herumstehen und warten, dass die Prognosen auch eintreffen?" Der Chemie-Nobelpreisträger hatte schon damals resigniert, weil ihm bewusst war, dass spät beschlossene Maßnahmen nicht sofort wirken können. Wie ein träger Tanker folgt das Klimasystem nicht guten Vorsätzen, sondern den Impulsen aus der Vergangenheit - und hat einen beachtlichen Bremsweg. Auch deshalb hat der gegenwärtige Bleifuß der Menschheit auf dem "fossilen Gaspedal" verheerende Wirkungen.

Die Auflegung eines Klimafonds, um Folgen in Nicht-Verursacher-Ländern zu lindern, ist indes keine Erfindung von Durban. In Südafrika wurde nur noch einmal daran erinnert, dass ein Konto ohne Geld nichts Segensreiches entfalten kann. 100 Milliarden Dollar sind dafür veranschlagt. Davon abgesehen, dass der letztlich notwendige Betrag den zur Bankenrettung um ein Vielfaches übersteigt, spiegelt der Klimafonds: Man kämpft gegen die Folgen seines Tuns, nicht aber gegen die Ursachen. Das Leben mit Ex- tremwettern entwickelt sich still zur katastrophalen Normalität.

Was in Durban in den heutigen Morgenstunden auch immer beraten wurde: Es bedeutet, dass man weiter im Gespräch bleibt, um vielleicht noch die schlimmste Version des Klimawandels abzuwenden. Damit folgt Durban den lauwarmen Vorsätzen von Kyoto, Bali, Kopenhagen oder Cancún. Tatsächlich offenbaren unabhängige Nationalstaaten mit einer gemeinsamen Gasmüll-Deponie das eigentliche Dilemma: Nur ein mit weitreichenden Befugnissen ausgestattetes Weltministerium, das den Planeten menschenfreundlich managt, könnte einen Rettungsschirm für die Atmosphäre aufspannen. Aber wer will Souveränität abgeben?

Letztlich spiegelt sich in der globalen Lufthülle nichts anderes als die Tragik der Allmende: Am Ende eines gemeinschaftlich und kostenlos oder regellos genutzten Dorfbrunnens steht dessen Versiegen. Seit Aristoteles hat sich wenig geändert: "Dem Gut, das der größten Zahl gemeinsam ist, wird die geringste Fürsorge zuteil." Der griechische Philosoph konnte nicht ahnen, wie sehr seine "vor Ort" gewonnene Erkenntnis einmal im Weltmaßstab gelten würde. Nicht nur für die Erdatmosphäre.

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