Kommentar Katholische Kirche - Vor dem Konklave

Vor 50 Jahren beim Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich die katholische Kirche aufgemacht, den Weg von einer nur auf Rom ausgerichteten Glaubensgemeinschaft zur Weltkirche zu beschreiten.

Seitdem ging es viele Schritte voran, aber auch manche zurück. Sollten die Kardinäle in der nächsten oder übernächsten Woche einen Papst wählen, der nicht aus Europa kommt, sondern aus den Wachstumskontinenten Südamerika, Afrika oder Asien, so würde die katholische Kirche ein halbes Jahrhundert nach dem Konzil auch personell darstellen, dass sie inzwischen zur Weltkirche geworden ist.

Im Übrigen: Für die Katholiken in Deutschland wäre ein Oberhirte aus den Entwicklungsländern nicht unbedingt etwas Besonderes. Erleben sie doch Sonntag für Sonntag in ihren Gemeinden, dass Priester aus Indonesien, Ghana, Nigeria oder den Philippinen in der durch Priestermangel gekennzeichneten deutschen Kirche am Altar aushelfen.

Wahrscheinlich sind diese Tage vor dem Konklave in Rom genauso spannend im Hinblick auf die Wahl eines neuen Papstes wie jene während des Konklaves. Joachim Kardinal Meisner sprach jetzt von einem geistigen Panorama, das entstehe, wenn die Kardinäle die Berichte über die Situation der Kirche weltweit hörten. Man könne ahnen, wer mit diesem oder jenem Profil in diese Situation am besten als Papst hineinpasst, meinte Meisner.

Aber was müsste ein neuer Bischof von Rom mitbringen? Es reicht nicht aus, ein exzellenter Theologe zu sein. Joseph Ratzinger war das ohne Zweifel, doch ihm fehlte als Benedikt XVI. die Kraft, die weltlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Es geht um Führungsstärke, auch um Managementfähigkeiten im Blick auf die Kurie und die vielen Probleme in der Kirche weltweit.

Dass ein neuer Papst Reformen in Richtung einer Öffnung des Priesteramts für Frauen oder auch nur die Abschaffung des Zölibats anstoßen könnte, das würden sich sicher viele wünschen, ist aber nicht zu erwarten. Denn die meisten Kardinäle gelten als konservativ.

Interessant ist noch etwas, was Meisner erzählte: Dass er im vorigen Konklave Kardinäle entdeckt hätte, die er zuvor noch nie betend gesehen hätte. Oft wird auch vom Heiligen Geist oder dem Geist Gottes gesprochen, der den Kardinälen den Stift führe. Natürlich müssen die Papstwähler mit dem Verstand dabei sein, um jene Person zu wählen, von der sie glauben, dass sie die katholische Kirche am besten in die Zukunft führen kann.

Aber ist es so abwegig, zu glauben, dass eine übergeordnete Macht ihre Finger mit im Spiel hat? Man denke nur an die Wahl Karol Wojtylas, der 1978 nicht gerade zu den Favoriten zählte und später maßgeblich zum Sturz des Kommunismus in Polen und letztlich in ganz Osteuropa beitrug. Das allerdings ist eine Sache des Glaubens.

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