Zwischenruf zur Zeichenzahl bei Twitter Glaubenskrieg um die Zeichenzahl
Meinung | BONN · Von 140 auf 10.000 Zeichen: Twitter-Mitgründer und Chef Jack Dorsey wünscht sich längere Tweets. Damit will er das soziale Netzwerk für Einsteiger attraktiver gestalten und das schwächelnde Wachstum der Nutzerzahlen des Zwitscherdienstes ankurbeln.
Blöd nur, dass ausgerechnet die treuesten Twitter-Anhänger ihm diesen Vorschlag übel nehmen. Denn mehr als 140 Zeichen braucht es nicht, sagen die Nostalgiker. Wo bleibe da die Kreativität, wo die Twitter-Identität? Eine ausgeprägte Facebook-Phobie ist bei den Zwitscher-Fundamentalisten erkennbar. Doch woher kommt die schroffe Ablehnung?
Twitter lebt von seiner Schnelligkeit. Tweets sind kurz und informativ, auf das Wesentliche reduziert. Das ist in Zeiten wie diesen ein Segen für alle Anhänger sachlicher Berichterstattung - schließlich gibt es schon genug aufmerksamkeitsdefizitäre Nutzer sozialer Medien, die persönliche Befindlichkeiten großzügig in die Welt hinausposaunen, manchmal mit Hilfe eines inflationären Gebrauchs diverser Satzzeichen.
Twitter hat solchen Entgleisungen bislang meist erfolgreich einen Riegel vorgeschoben. Wer mehr mitzuteilen hatte, konnte sich problemlos mit einem Internetlink oder einem angehängten Screenshot behelfen.
Ansonsten gibt es ja noch die Möglichkeit, mehrere kurze Tweets hintereinander zu veröffentlichen. Schnell entsteht dann ein Tweetstorm und wenn dieser überwiegend negativ ausfällt, ein Shitstorm. Den erlebt Twitter-Chef Jack Dorsey gerade am eigenen digitalen Leib. Zumindest dafür reichen 140 Zeichen ohne Probleme.