Kommentar Europa - Neues Denken

Es sind trübe Tage für Europa. In Brüssel lassen es die Staats- und Regierungschefs in der Frage der Griechenlandhilfen zu einem für beide Seiten beschämenden Showdown kommen.

Und in Dänemark wird bei den Parlamentswahlen eine Partei zum entscheidenden Machtfaktor, die auf geschlossene Grenzen, einen Aufnahme-Stopp für Flüchtlinge und eine Renationalisierung der Europapolitik setzt.

Der Ausgang der dänischen Wahlen reiht sich ein in eine Serie von Wahlerfolgen für populistische, europakritische Gruppierungen. Da macht übrigens auch die Podemos-Bewegung in Spanien keine Ausnahme, die sich zwar einen zeitgeistig-linken Anstrich gibt, aber auch von denselben eurofeindlichen Vorurteilen profitiert. Gemeinsam ist diesen Strömungen die Überzeugung, dass im kuscheligen nationalen Nest die Stürme der Globalisierung leichter zu überstehen sind. Das ist natürlich gefährlicher Unsinn. Ein Reflex, der an die Naivität eines Kindes erinnert, das glaubt, nicht gesehen zu werden, wenn es nur die Hände vor die Augen schlägt.

Offenbar haben die politischen Eliten den simplen Sachverhalt nicht erklären können, dass in einer Zeit globalen Austausches von Informationen, Waren und Dienstleistungen die kleinen europäischen Nationen jede für sich nichts, aber auch gar nichts mehr in ihrem Sinne weltpolitisch und -ökonomisch bewegen können.

Früher war diese Überzeugungsarbeit leichter. Da wirkte die große europäische Verheißung: ein grenzenloses Europa als Zone des Friedens. Das war der Kriegs- und den ersten Nachkriegsgenerationen noch unmittelbar einsichtig. Diese Botschaft, der tiefste Sinn einer Europäischen Union, hat heute nichts an Bedeutung verloren. Aber verloren hat sich das Bewusstsein, dass der Friede keine Selbstverständlichkeit ist.

Das ist eine Realität. Woraus folgt, dass Europa heute eine neue, zeitgemäße und zusätzliche Rechtfertigung braucht - eine neue Erzählung. Die neue Verheißung Europas muss zusätzlich zum Friedensversprechen ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, des sich mehrenden Wohlstands und der individuellen Freiheit sein. Tatsächlich aber verstecken sich hinter all den populistischen Strömungen in Europa Abstiegsängste. Und die sind durchaus nicht immer irrational, wie sich im Süden des Kontinents zeigt. Übrigens geht die Schere zwischen Oben und Unten, Fortschrittsgewinnern und -verlierern auch in den reichen Gesellschaften des Nordens stetig auseinander.

Hier entscheidet sich das Schicksal der EU. Sie muss für ihre Bürger erkennbar sozial und solidarisch sein. Das ist kein Plädoyer dafür, auch noch die unfähigsten nationalen Verwaltungen dauerhaft zu alimentieren oder über die korruptesten Strukturen gnädig hinwegzusehen. Aber auch in der Griechenland-Frage darf nicht der Eindruck entstehen, dass die kleinen Leute auf Kosten von mächtigen Interessen die Zeche zahlen.

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