Kommentar Erbschaftssteuer - Einsamer Schäuble

Sie betrifft nicht die Massen. Sie trifft aber einen Nerv in der Gesellschaft. Die Rede ist von der Besteuerung von ganz großen Firmenerbschaften.

Wohl gemerkt: Es geht nicht um die Übergabe eines normalen Familienbetriebes mit einigen Dutzend Mitarbeitern an die nächste Generation. Vielmehr geht es darum, wie es die Gesellschaft in Zukunft mit den Erben jener wenigen großen Betriebe halten will, die zwar landläufig als Mittelstand bezeichnet werden, die aber tatsächlich milliardenschwere Unternehmen sind. Namhafte Weltmarktführer, international aufgestellt - ja selbst einige Dax-Unternehmen sind darunter.

Die entscheidenden Fragen lauten: Ist die massive Privilegierung dieser Erben gerecht? Ist es in Ordnung, wenn sie so gut wie steuerfrei davonkommen, solange sie sich an die Spielregeln halten, also keine Jobs abbauen und die Firma über Jahre nicht zu Geld machen? Ist diese Vorzugsbehandlung auch im Hinblick auf andere Erben vertretbar, die keine Firma, sondern Immobilien- oder Wertpapiervermögen ähnlich riesigen Ausmaßes bekommen, dafür aber hohe Steuersätze zahlen müssen?

Das Bundesverfassungsgericht sagt zu allen diesen Fragen Nein. Seit Jahrzehnten und jedes Mal, wenn es in der Sache angerufen wird, moniert es die jeweilige Gesetzeslage. Zuletzt am 17. Dezember. Seit mehr als 30 Jahren verwirft die oberste gerichtliche Instanz des Landes die Erbschaftsteuer. Und seit über 30 Jahren gelingt es den Lobbyvertretern jener wenigen ganz großen Unternehmen immer wieder, den Gesetzgeber so für sich einzunehmen, dass sie weiterhin steuerlich weitgehend ungeschoren davonkommen.

Nun hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen grundvernünftigen Vorschlag unterbreitet. Er regt an, dass erst ab einem Erbteil von Firmenvermögen oberhalb von 20 Millionen Euro geprüft werden soll, ob der Erbe tatsächlich Anspruch auf eine weitgehende Befreiung von der Erbschaftsteuer genießen soll. Dass da das Finanzamt besonders kritisch hinschaut, ist nicht so abwegig.

Nach Berechnungen seines Hauses wären weit über 90 Prozent aller Erbfälle von Betriebsvermögen bei einer derartigen Regelung aus dem Schneider, nur beim Rest wäre eine Bedürfnisprüfung notwendig. Und Schäuble hat einen zweiten Vorschlag gemacht: Das Betriebsvermögen soll in keinem Fall steuerlich belastet werden. Allenfalls soll der Erbe zur Hälfte sein Privatvermögen heranziehen müssen, um die Steuerschuld aus der Unternehmensübergabe zu begleichen. Kann man ernsthaft etwas dagegen haben? Da erbt ein ohnehin Vermögender eine multimillionenschwere Firma und zahlt aus seinem Privatvermögen die Steuer. Ist doch in Ordnung, oder?

Schäuble steht in seiner eigenen Fraktion einsam da, selbst der Arbeitnehmerflügel der Union traut sich nicht, ihm beizuspringen. Es ist absehbar, dass seine Pläne nun bis zur Unkenntlichkeit gestutzt werden. Das wäre in doppelter Hinsicht ein Armutszeugnis für die Demokratie. Einmal mehr würde es denjenigen gelingen, ihre Interessen bei der Gesetzgebung durchzusetzen, die mit ihren Spenden zu einem Großteil zur Parteienfinanzierung beitragen. Außerdem würde ein seit Jahrzehnten andauernder, verfassungswidriger Zustand in die Zukunft verlängert.

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