Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Hauen und Stechen

In der EU machen sich Umgangsformen breit, wie es sie seit ihrem Bestehen nicht gegeben hat. Zugegeben: Die Flüchtlingskrise ist eine Riesenherausforderung, vermutlich die größte seit Jahrzehnten.

Aber sie darf nicht zum Zerreißen der europäischen Staatengemeinschaft führen. Was dazu gestern aus einigen europäischen Hauptstädten und aus Bayern zu hören war, muss die Alarmglocken schrillen lassen. Der slowakische Regierungschef spricht von einem Diktat der EU-Innenminister, weil diese am Vortag mit Mehrheit eine Teillösung für die Unterbringung von Tausenden von Flüchtlingen beschlossen hatten. Das mag politisch ungeschickt gewesen sein, zeigt aber, wie groß die Not ist - und legal ist es sowieso. Der ungarische Regierungschef lässt sich vom Koalitionspartner der Kanzlerin nach Bayern einladen, um dort über sie herzuziehen. Er spricht von "Imperialismus" und von "Betrug".

Das ist doppelt schlechter Stil. Von CSU-Chef Seehofer und von Viktor Orban. Aber es ist mehr als das. Die europäische Union will eine Wertegemeinschaft sein. Dazu passt das Verhalten vieler Mitgliedsregierungen nicht. Die Flüchtlingsproblematik ist mindestens eine europäische, wenn nicht eine Aufgabe der Weltgemeinschaft. Aber sie kann nicht dadurch gelöst werden, dass sich einzelne Staaten der notwendigen Solidarität komplett verweigern. Die Großzügigkeit der deutschen Kanzlerin muss dabei gar nicht beispielhaft wirken. Aber dennoch verbieten sich verbale Ausfälle wie der des ungarischen Premiers. Ausgerechnet Ungarn! Traurig, wie sich die Zeiten ändern.

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